03.03.2024
Predigt zur Eröffnung der Ausstellung „Was bleibt?!“ am Sonntag Okuli zu Gen 1-2, 03.03.24, Augustinerkirche Erfurt, Regionalbischöfin Dr. Friederike Spengler

Predigt zur Eröffnung der Ausstellung „Was bleibt?!“ am Sonntag Okuli zu Gen 1-2, 03.03.24, Augustinerkirche Erfurt
Regionalbischöfin Dr. Friederike Spengler

Gnade sei mit Euch und Frieden…

Liebe Gemeinde!
Was bleibt von mir? Was von dir und dir? Wer über sein „Wohin“ nachdenkt, muss beim „Woher“ anfangen. Beides gehört zusammen.
Christen und Juden bekennen Gott als Schöpfer. „Ich glaube, dass mich Gott geschaffen hat samt allen Kreaturen, mir Leib und Seele, Augen, Ohren und alle Glieder, Vernunft und alle Sinne gegeben hat und noch erhält; dazu Kleider und Schuh, Essen und Trinken, Haus und Hof, Weib und Kind, Acker, Vieh und alle Güter; mit allem, was nottut für Leib und Leben…“ so lässt Luther das Volk lehren. Nicht irgendeinen Lehrsatz sollen wir schlucken, sondern Gottes Tun an uns selbst wahrnehmen: Mich hat Gott geschaffen. Und dich und dich…
Wir hören die Geschichte von der Schöpfung der Welt, von der des Menschen, aufgeschrieben im ersten Buch Mose, Genesis:

1 Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde.
2 Und die Erde war wüst und leer, und es war finster auf der Tiefe; und der Geist Gottes schwebte auf dem Wasser.
3 Und Gott sprach: Es werde Licht! Und es ward Licht.
4 Und Gott sah, dass das Licht gut war.
26 Und Gott sprach: Lasset uns Menschen machen, ein Bild, das uns gleich sei, die da herrschen über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über das Vieh und über alle Tiere des Feldes und über alles Gewürm, das auf Erden kriecht.
27 Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; und schuf sie als Mann und Frau.
28 Und Gott segnete sie und sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und mehret euch und füllet die Erde und machet sie euch untertan und herrschet über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über das Vieh und über alles Getier, das auf Erden kriecht.
29 Und Gott sprach: Sehet da, ich habe euch gegeben alle Pflanzen, die Samen bringen, auf der ganzen Erde, und alle Bäume mit Früchten, die Samen bringen, zu eurer Speise.
30 Aber allen Tieren auf Erden und allen Vögeln unter dem Himmel und allem Gewürm, das auf Erden lebt, habe ich alles grüne Kraut zur Nahrung gegeben. Und es geschah so.
31 Und Gott sah an alles, was er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut. 2 1 So wurden vollendet Himmel und Erde mit ihrem ganzen Heer.
2 Und so vollendete Gott am siebenten Tage seine Werke, die er machte, und ruhte am siebenten Tage von allen seinen Werken, die er gemacht hatte.
3 Und Gott segnete den siebenten Tag und heiligte ihn, weil er an ihm ruhte, von allen seinen Werken, die Gott geschaffen und gemacht hatte.
4 So sind Himmel und Erde geworden, als sie geschaffen wurden.

„Es werde Licht!“ Mit diesem Satz ist es geschehen um die Welt. Keine Chance mehr dem Tohuwabohu, dem Ur-Chaos. Keine Chance der Dunkelheit: Gott spricht und das Licht lichtet alles.
 „Ich bin das Licht der Welt“, wird Jesus einst von sich sagen. Damit knüpft er genau hier, am ersten Tag der Schöpfung an.

Noch aber glänzte keine Sonne am Himmel, noch leuchtete kein Mond durch die Nacht – dieses Licht des Anfangs war und ist ein ganz besonderes, ganz anderes, wohl göttliches Licht. In diesem Licht unterscheidet Gott Wasser und Land. „Du bist Erde“, sagt Gott zum Trockenen. „Und ihr seid Meere“, spricht er zu den Wassern. Das mächtige Urmeer, die Wasser der furchterregenden Flut kennt Gott durch und durch, er steht auf Du und Du mit ihnen, weist sie in die Schranken. „Ein Meer bist du, sonst gar nichts!“ (Nico ter Linden)
Das Hebräische kennt die Anrede Gottes an Dinge: Gott spricht die Erde an: „Du Erde.“ Gott spricht das Meer an: „Ihr Meere“.
Im Licht des ersten Tages lässt Gott die Erde grünen: „Die Erde bringe hervor junges Grün, das Samen trägt, ein jedes nach seiner Art. Und Bäume, die Früchte tragen, in denen Samen sind, ein jeder nach seiner Art.“ „O, wie fein!, ruft Gott, so ist es gut“.

Die Stimme des Schöpfers tropft vor Liebe. Die ganze Welt und Dein Leben, sind Ausdruck der Gottesliebe. Seine Liebe hat Dich gewollt, erhalten und wird Dich ans Ziel bringen. Aus Liebe, in Liebe.

„Und dann sprach Gott: Lasst uns Menschen machen, ein Bild, das uns gleich sei“ Für einen Moment steht die ganze Schöpfung still: Hatte Gott bisher geredet: Es werde – und es ward; jetzt heißt es anders. „Lasst uns“, eine Aufforderung wie an einen ganzen Hofstaat. „Lasset uns Menschen machen, ein Bild, das uns gleich sei“. Hatte Gott bisher geredet: „Ein jedes nach seiner Art“; jetzt spricht er eigens: „Nach unserer Art, ein Bild, uns gleich“. Das Haupt der Schöpfung wird vorbereitet, das gilt für alle. Ganz gleich, ob Du in ein Spitzenjäckchen oder in einen alten Lappen gewickelt wurdest. Der Mensch als Bild Gottes ist so wunderbar, dass er nicht festgelegt werden kann auf entweder - oder. Das wäre viel zu kurz gegriffen. Das geht nur auf, wenn beides Platz findet: Männliches und Weibliches. Und so schreibt das Hebräische auch nicht „Mann und Frau“, sondern „männlich und weiblich“. Denn, Ihr Lieben, wo blieben sonst die Kinder zum Anbeginn der Schöpfung? Das Kind als Sinnbild für das Sein im Werden, das gehört doch unabdingbar zu den ersten Schöpfungstagen…

Gott schafft also den Menschen nach seinem Bild, männlich und weiblich. Auch beim Menschen reicht kein Singular, Gottes Abbild ist nicht als „Einzahl“ zu haben. Der Mensch wird von Anbeginn an vielfältig gedacht.

„Und Gott segnete sie und sprach zu ihnen“ Mit seinem Segen denkt Gott an den Menschen und spricht Gott ihn an, ist von Anfang an mit seinen Gedanken bei einem Jeden von uns. Und gleichzeitig sind wir, Du und ich in Gottes Gedanken aufgehoben.

Auch, wenn ich sterbe? Die Schöpfungsgeschichte will Deiner angsterfüllten Frage Antwort sein, ob man vergessen sei, wenn man tot ist. Nein doch, um Gottes Willen nein. Niemals! Gott, der Schöpfer, spricht: „Du, Anne; Du, Johann; Du, Kerstin; Du, Rainer, Du, Nils und Lena und Selma und Heino und wie ihr alle heißt; ich habe dich bereits gedacht, bevor Deine Gestalt Konturen annahm im Leib Deiner Mutter. In meinen Gedanken bist du der schönste Mensch auf Erden. Meine Liebe rief dich ins Leben gerufen und wird dich auch aus dem Leben rufen. Hier und da bist und bleibst du mein.“
Und deshalb, Ihr Lieben, ist es nur die halbe Wahrheit, wenn in Traueranzeigen und -reden steht „Wer im Gedächtnis seiner Lieben bleibt, der ist nicht tot, richtig tot ist man nur, wenn man vergessen ist.“ Es gibt keinen zweiten Tod für die, deren Namen und Leben nicht mehr gedacht wird! Was für eine maßlose Überforderung, wenn Sie und ich immerfort an alle denken sollten, die vor uns gelebt haben. An alle, die uns vorausgegangen sind. Wir und alle, die nach uns kommen, sind in Gottes Gedanken aufgehoben zum Leben! An die Toten zu denken, das ist nicht für unsere Verstorbenen wichtig, sondern für uns! An den Tod zu denken, uns ihn bewusst zu machen, dient dem Leben. Es erinnert uns an die Zerbrechlichkeit des Seins, an die Endlichkeit, an die Freude am Jetzt, an die Liebe unserer Familien und Mitmenschen, an das Geschenk des Lebens…

Liebe Gemeinde, wir sind angesprochen, zu leben. Und wer angesprochen ist, der ist auch aufgefordert, zu antworten. Ver-ANTWORT-lich gegenüber Gott sind wir, Verantwortung zu übernehmen und damit Gott Antwort zu geben.

Zu dieser Verantwortung gehört Vieles. Der Umgang mit der gesamten Schöpfung etwa, der Umgang mit unserem Nächsten, der Umgang mit dem Wohlstand unseres Landes und vieles mehr… Heute geht um die Verantwortung in der Frage „Was bleibt?“ Es geht um meine Verantwortung, mit mir Anvertrautem gut umzugehen. Es zu sichten, zu ordnen, es gut einzusetzen. Wie, dass muss jeder ganz persönlich für sich entscheiden. Dazu, dass Ihr Euch aber damit beschäftigt, rufe ich auf, weil es Teil unserer Verantwortung ist.

Der Koffer ist mein Bild dafür. Anstifter für leichtes Gepäck, damit der Griff nicht reißt und ich keine Schulterschmerzen bekomme.

Anfang der 2000er Jahre gestaltete einer der deutschen Pioniere des trauerorientierten Bestattungswesens, Fritz Roth – Gott hab ihn selig- ein Kunstprojekt unter dem Titel „Ein Koffer für die letzte Reise. Dazu gab er 103 identische Koffer an Bürger aus allen Teilen des Landes und seiner Bevölkerung. Sie waren gebeten, ihren Koffer für die Reise aus diesem Leben zu packen. Anstiftung zu Memento mori – bedenke, Mensch, dass du sterblich bist. Die Resonanz war überwältigend, viel mehr als angefragt, wollten Leute sich damit auseinandersetzen, was es ihnen so lieb und wert ist, dass sie es am liebsten mitnehmen würden. Oder eben auch nicht, aus dem Wissen, dass das letzte Hemd keine Taschen hat und wir wieder so zu Gott zurückkehren, wie wir von ihm gekommen sind.

Was bleibt?, liebe Gemeinde: „Wir sind von Gott umgeben auch hier in Raum und Zeit und werden in ihm leben und sein in Ewigkeit“, werden wir gleich singen. Ja, Gottes Liebe bleibt! Das ist die Botschaft der Schöpfungsgeschichte. Aus seiner Liebe kommen und in seine Liebe gehen wir, oder, wie es so wunderbar ein Poet der Bibel sagte: In Gottes Liebe „leben, weben und sind wir.“ (Acta 17,28)

Der Koffer ist gepackt: Angefüllt mit Gottes Liebe bis zum Rand. Das die zum Leben und zum Sterben reicht, das schenke Gott… Amen

Und die Liebe Gottes, Euer Leben überdauernd und Euer Denken übersteigend, bewahre Euch in Jesus Christus, unserem Herrn.

Predigtlied: „Du kannst nicht tiefer fallen“, EG 533


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