25.01.2022
Steinmeier: "Spaziergang" hat seine Unschuld verloren

Berlin (epd). Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat in der gesellschaftlichen Debatte um die Corona-Maßnahmen vor einer Verharmlosung von Hass und Gewalt gewarnt.

Mit Blick auf tödliche Attentate in den vergangenen Jahren sowie Bedrohungen von Kommunalpolitikern und -politikerinnen sagte Steinmeier am Montag in Berlin, die Gefahr sei real und konkret. Dabei verurteilte er unter anderem auch Ausschreitungen auf Demonstrationen von Gegnern der Corona-Maßnahmen.

„Wer sich gegen unser Recht stellt und sich mit selbst erklärten Staatsfeinden und verfassungsschutzbekannten Rechtsextremisten gemein macht, der kann sich nicht mehr glaubwürdig auf Demokratie und Freiheit berufen“, sagte Steinmeier bei einer Gesprächsrunde mit Gästen aus Medizin, Kommunalpolitik, Polizei und Zivilgesellschaft. „Der 'Spaziergang' hat seine Unschuld verloren“, so der Bundespräsident mit Blick auf die zahlreichen unangemeldeten Demonstrationen in den vergangenen Monaten.

Die rote Linie verlaufe genau da, „wo Gewalt ins Spiel kommt“, sagte Steinmeier. Die Diskussionsrunde im Schloss Bellevue stand unter dem Titel „Hass und Gewalt in Zeiten der Pandemie - Erfahrungen und Reaktionen“.

Zu den Gästen gehörte etwa der Oberbürgermeister von Altenburg (Thüringen), André Neumann (CDU). Er forderte von der Bundespolitik unter anderem konkrete Schritte gegen die Betreiber sozialer Medien, um gegen Mordaufrufe vorgehen zu können. Er habe nicht den Eindruck, dass die Bedrohung von Kommunalpolitikern ernst genommen werde, sagte er.

Auch sein Kollege aus Münster (Nordrhein-Westfalen), Markus Lewe (CDU), zugleich Präsident des Deutschen Städtetages, zeigte sein Unverständnis darüber, dass Netzbetreiber nichts gegen Gewaltaufrufe unternehmen würden. Zudem forderte er mehr Sensibilität für die Bedrohung von Kommunalpolitikern bei Landesregierungen und Polizeidienststellen.

Der Bautzener evangelische Pfarrer und Mitinitiator der Erklärung „Bautzen gemeinsam“, Christian Tiede, nannte die überparteiliche Initiative mit inzwischen mehr als 47.000 Unterschriften eine Möglichkeit, mit seinem eigenen Namen ein Zeichen zu setzen. Der kurz vor Weihnachten veröffentlichte Aufruf habe die Atmosphäre in der Stadt bereits positiv verändert. Dabei seien auch unerwartete Allianzen zustande gekommen.

Annette Knaup, leitende medizinische Fachangestellte in Paderborn, wünschte sich mehr Anerkennung und Wertschätzung für das Personal in den niedergelassenen Praxen, etwa in Form einer Corona-Bonus-Zahlung, wie diese auch Angestellte in anderen Gesundheitsbereichen erhalten hätten. Der Präsident der Bundesärztekammer und Bielefelder Hausarzt Klaus Reinhardt bestätigte eine verbreitete Gereiztheit auf Seiten der Patienten. Die Mitarbeiterinnen seien oftmals der Prellbock für die Aggressionen.

Undine Weihe, Leiterin der 33. Einsatzhundertschaft der Berliner Polizei, appellierte an die Demonstranten, sich vernünftig zu verhalten. Vielen scheine nicht mehr bewusst zu sein, dass man einen Polizisten oder einen Pressevertreter nicht schlagen dürfe.


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