19.02.2020
Auseinandersetzung in Thüringen um Regierungsbildung | Bischof Kramer: "Vertrauen in Demokratie muss zurückgewonnen werden"

Erfurt (epd). Die Thüringer CDU hat sich am Dienstag in Erfurt offen für eine Regierung des Übergangs mit Christine Lieberknecht (CDU) als Ministerpräsidentin gezeigt. Die CDU griff damit einen Vorschlag von Bodo Ramelow (Linke) vom Vortag auf, den sie allerdings in entscheidenden Punkten abänderte.

So sei zur Sicherung der für das Land nötigen Stabilität die von Ramelow vorgeschlagene Übergangszeit von 70 Tagen zu kurz, teilte die CDU-Fraktion mit.

Zudem strebe man statt eines Rumpfkabinetts mit lediglich vier Mitgliedern die Bildung einer voll arbeitsfähigen technischen Regierung des Übergangs an, hieß es nach einem Treffen von Fraktions- und Parteichef Mike Mohring, seinem Parteivize Mario Voigt und Lieberknecht. Die 61-jährige Politikerin, die bereits von 2009 bis 2014 Ministerpräsidentin war, soll einem von der Linken, CDU, SPD, Bündnis90/Die Grünen und FDP parteiübergreifend berufenen Experten-Kabinett vorstehen und die volle Handlungsfähigkeit hinsichtlich der entscheidenden Herausforderungen des Landes herstellen.

Hauptaufgabe dieser technischen Regierung werde es sein, einen Haushalt für 2021 vorzulegen. Nachdem der Landtag diesen Haushalt verabschiedet habe, könne es Neuwahlen geben. "Das ist unser Verhandlungsangebot", hieß es von der Landtagsfraktion.

Indessen mehrten sich die Stimmen, die eine Zusammenarbeit der demokratischen Kräfte im Landtag einfordern. Der Bischof der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM), Friedrich Kramer, räumte zwar eine komplizierte politische Lage im Land ein, doch erwarte seine Kirche, "dass sich vernünftige Lösungen finden lassen und das Vertrauen in die Demokratie zurückgewonnen wird". Er rief zur Nächsten- und Feindesliebe auf, um dem Anderen mit Respekt zu begegnen. Wichtig seien jetzt alle Schritte, die eine Regierungsbildung ohne Mitwirkung von Demokratieverächtern ermöglichten, unterstrich Kramer. Zudem plädierte er für Gewaltfreiheit in Wort und Tat.

Auch Vertreter Thüringer Kultureinrichtungen und Gedenkstätten riefen gemeinsam mit der Jüdischen Landesgemeinde die Abgeordneten von CDU, FDP, Grünen, Linke und SPD dazu auf, "parteitaktische Egoismen, die nur die Feinde der Demokratie stärken", zu überwinden. Nach ihrer Überzeugung zielt die AfD auf die Aushöhlung und Delegitimierung der parlamentarischen Demokratie ab. Dies habe sie bei der Wahl des Ministerpräsidenten am 5. Februar in aller Offenheit gezeigt. Wenn die Landtagsabgeordneten der AfD nun dazu aufgefordert würden, Bodo Ramelow (Linke) als Ministerpräsidenten zu wählen, sei dies die "nächste Perfidie", heißt es in der in Weimar verbreiteten Erklärung.

Das rot-rot-grüne Lager kommt im Landtag nur noch auf 42 der insgesamt 90 Stimmen. Die Wahl von Thomas Kemmerich (FDP) mit den Stimmen der AfD zum Ministerpräsidenten am 5. Februar hatte zu bundesweiten Protesten und zu dessen schnellem Rücktritt geführt. Kemmerich ist als einziges Thüringer Regierungsmitglied geschäftsführend im Amt. Umfragen sagen bei Neuwahlen Gewinne für die Linken und Verluste für die Christdemokraten voraus.


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