20.10.2019
Berliner Theologe wird erster Antisemitismusbeauftragter der EKD | "Kirchliche Tradition nicht antijüdisch"

Hannover/Berlin (epd). Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) bekommt einen Antisemitismusbeauftragten. Der Berliner Theologe Christian Staffa, Studienleiter an der Evangelischen Akademie zu Berlin, soll der erste "Beauftragte für den Kampf gegen Antisemitismus" der EKD werden. Das hat der EKD-Rat am Freitag in Hannover beschlossen, wie die EKD mitteilte.

"Nicht erst der zutiefst beschämende Anschlag von Halle hat das bedrohliche Ausmaß antisemitischer Gewaltbereitschaft gezeigt", sagte der Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm.

Das neue Amt bringe zum Ausdruck, dass die evangelische Kirche unverrückbar an der Seite ihrer jüdischen Schwestern und Brüder stehe. Sie mache aber auch deutlich, dass die evangelische Kirche nicht zuletzt aus der Verantwortung für eigenes jahrhundertelanges Versagen jeder Form von Judenfeindschaft und Verachtung wachsam gegenübertreten werde. "Christlicher Glaube und Judenfeindschaft schließen einander aus", sagte Bedford-Strohm.

Staffa solle das Amt zunächst für die Dauer der Ratsperiode wahrnehmen, teilte die EKD mit - also bis 2021. Zu seinen Aufgaben gehöre die Unterstützung der Kirchenleitungen der 20 EKD-Gliedkirchen bei ihren Anstrengungen im Kampf gegen Antisemitismus. Der Antisemitismusbeauftragte ist wie andere Beauftragungen des Rates ein Nebenamt. Staffa soll das Amt ab sofort ausüben.

Christian Staffa wurde 1959 in Essen geboren und studierte in Berlin, Tübingen und Prag evangelische Theologie. Seit 1999 war er Geschäftsführer von Aktion Sühnezeichen, die internationale Freiwilligendienste für junge Menschen vermittelt. Der promovierte Theologe engagiert sich für den jüdisch-christlichen Dialog und hat sich mehrfach beruflich mit dem Thema Rechtsextremismus auseinandergesetzt. Er ist Autor zahlreicher Publikationen zu Antisemitismus und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit.

Die Einsetzung eines EKD-Antisemitismusbeauftragten geht wesentlich auf den ehemaligen Kasseler Bischof Martin Hein zurück, der erstmals im August vergangenen Jahres dieses Amt in der evangelischen Kirche gefordert und in den zurückliegenden Monaten verstärkt darauf gedrungen hatte. Er freue sich, dass der Rat der EKD seinem Vorstoß nun gefolgt sei, sagte Hein dem Evangelischen Pressedienst (epd) am Freitag.

Hein nannte die Berufung Staffas eine "überzeugende Entscheidung". Wichtig sei es nun, dass sich der EKD-Beauftragte mit den Antisemitismusbeauftragten auf Ebene der Bundesländer, des Bundes und der Europäischen Union vernetze und zugleich die evangelische Kirche selbst in den Blick nehme. "Da tut sich negativ mehr, als wir glauben", sagte Hein, der im September als kurhessischer Bischof in den Ruhestand verabschiedet worden war.

EKD-Beauftragter: Kirchliche Tradition nicht antijüdisch

epd-Gespräch: Corinna Buschow

Berlin (epd). Der erste Antisemitismusbeauftragte der evangelischen Kirche, Christian Staffa, sieht für sein Amt eine spezielle Verantwortung für die Bekämpfung von Judenhass unter Christen. Zu Recht werde auf das Versagen der Kirchen bei dem Thema hingewiesen, sagte Staffa in einem Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Statt Judenhass zu bekämpfen, hätten die Kirchen ihn "oft genug bis hin zum Mörderischen gestärkt". Die kirchliche Tradition habe sich zu unrecht antijüdisch positioniert, sagte Staffa unter anderem mit dem Verweis auf den Juden Jesus Christus.

Nach biblisch theologischer Botschaft müssten alle Christen "Antisemitismusbeauftragte" sein, sagte Staffa und ergänzte: "Denn Antisemitismus ist Unglaube". Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) hatte Staffa am Freitag zum ersten Antisemitismusbeauftragten berufen. Der Studienleiter an der Evangelischen Akademie zu Berlin soll das Amt zunächst bis 2021 ausüben. Das Amt soll für die Solidarität der Kirche mit der jüdischen Gemeinschaft stehen und zugleich Verantwortung für die eigene Geschichte deutlich machen, hieß es am Freitag zur Begründung.

Was den Antisemitismus für Christen so attraktiv gemacht hat, sei weitestgehend unverstanden, sagte Staffa. Der Theologe sprach von einem möglichen Mechanismus: "Die eigenen Glaubensdefizite einerseits und Abgründe andererseits werden auf 'den Juden' projiziert und an ihm bekämpft." Der eigene Unglaube finde so ein Ventil. "Der Nährboden ist das christliche Selbstbild, das mit den eigenen Defiziten und Schuldgefühlen nicht umzugehen weiß. Darüber muss viel mehr gesprochen werden", sagte Staffa.

Der neue Beauftragte plädierte dafür, deutlich zu machen, wie sehr christliche und jüdische Traditionen zusammenhingen. "In der Berliner Landeskirche haben wir eine Broschüre produziert, in der wir anhand der gottesdienstlichen Liturgie jüdische Elemente aufzeigen und Möglichkeiten der Bewusstmachung dieser Verwobenheit mit der jüdischen Tradition und Gegenwart im gottesdienstlichen Handeln anbieten", sagte er.

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