15.10.2020
Bundesverwaltungsgericht berät zur Präimplantationsdiagnostik

Leipzig (epd). Das Bundesverwaltungsgericht steht offenbar vor einer wegweisenden Entscheidung zur Präimplantationsdiagnostik (PID) bei Embryonen.

Es sei sehr schwierig, "Kriterien und klare Maßstäbe zu entwickeln", sagte die Vorsitzende Richterin des dritten Senats, Renate Philipp, in der mündlichen Verhandlung am Mittwoch in Leipzig: "Es zeichnet sich schon ab, dass wir auch nach der mündlichen Verhandlung nicht restlose Klarheit haben werden." Ein Urteil soll am 5. November verkündet werden.

In der Verhandlung ging es um die Klage einer Frau, deren Partner an der vererbbaren Muskelschwäche "Myotone Dystrophie" erkrankt ist. Laut ärztlicher Einschätzung würden Nachkommen des Paares mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent die Krankheit in sich tragen. Daher beantragte die Klägerin eine Genehmigung für eine vorgeburtliche Untersuchung künstlich befruchteter Embryonen auf Erbkrankheiten. Bei der sogenannten PID werden befruchtete Eizellen vor dem Einpflanzen in den Mutterleib auf schwere Erbkrankheiten untersucht.

Die Bayerische Ethikkommission für die PID lehnte den Antrag der Frau im März 2016 ab. Zur Begründung hieß es laut Gericht unter anderem, es liege in dem Fall keine schwere Erbkrankheit vor, da die myotone Dystrophie bei einer beachtlichen Zahl von Erkrankten erst im höheren Alter auftrete. Eine Klage vor dem Verwaltungsgericht München gegen die Entscheidung blieb erfolglos.

Im März 2019 wies auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) die Klage ab und urteilte, eine PID dürfe nur durchgeführt werden, wenn eine Erbkrankheit mindestens den Grad der schwereren Muskeldystrophie Duchenne aufweise. Zugleich urteilten die Richter, dass die Entscheidungen der Ethikkommission gerichtlich "voll überprüfbar" seien.

Im Revisionsverfahren muss das Bundesverwaltungsgericht nun die Frage klären, wie die im Embryonenschutzgesetz beschriebenen Voraussetzungen für eine PID - "schwerwiegende Erbkrankheit" und ein dafür bestehendes "hohes Risiko" - konkret zu definieren sind. Richterin Philipp erklärte, der Gesetzgeber habe es bewusst vermieden, einen "Katalog" von Erbkrankheiten aufzustellen, bei denen eine PID gerechtfertigt sei. Stattdessen sollten Beurteilungen im Einzelfall erfolgen. Fraglich ist demnach, ob der VGH eine konkrete "Referenzkrankheit" definieren durfte.

Zudem habe es dem Senat "erhebliches Kopfzerbrechen gemacht", dass der VGH in seinem Urteil "allein auf die Schwere der Krankheit" abgestellt habe, ohne die individuelle Situation der Eltern zu berücksichtigen, sagte Philipp. Dies hätte demnach eine Definition des Gesetzeswortlauts "schwerwiegend" zur Folge, wonach man sich eine PID "erst verdienen muss durch vorgängiges Leid", erklärte Philipp.

Strittig ist außerdem, ob die Ethikkommissionen der Länder bei der Genehmigung der PID einen Entscheidungsspielraum haben oder ob es letztlich der Verwaltungsgerichtsbarkeit obliegt, den Kommissionen Entscheidungshilfen an die Hand zu geben.

Der Bundestag hatte die PID 2011 in Ausnahmefällen erlaubt. Über die Anträge muss jeweils eine Ethikkommission entscheiden. Laut einem Bericht der Bundesregierung vom Januar gab es vor gut einem Jahr bundesweit fünf solcher Kommissionen. 2018 stimmten sie insgesamt 319 Anträgen auf PID zu.

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