07.01.2020
Hetze und Morddrohungen: Politiker äußern Solidarität mit Bedford-Strohm | Kramer: "Er hat unsere volle Unterstützung"

Frankfurt a.M. Augsburg (epd). Weil er sich für die Seenotrettung im Mittelmeer einsetzt, erhielt Heinrich Bedford-Strohm, der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Morddrohungen. Das sagte Bedford-Strohm in einem Interview mit der „Augsburger Allgemeine“, in dem es um die Rolle der sozialen Medien im gesellschaftlichen Miteinander ging. Seine Forderung: Regeln und Normen bei Twitter, Facebook und Co, weil sie sonst ein Katalysator für eine inakzeptable Art des Umgangs würden.

Doch vor allem die Aussage zu den Morddrohungen blieb hängen und zeigte sofort nach Veröffentlichung, wie die sozialen Medien funktionieren: Sie löste eine Welle von Kommentaren aus, viele davon solidarisch, andere aber gehässig bis verunglimpfend. Bedford-Strohm reagierte daraufhin aus dem Urlaub, was er normalerweise nicht tut, wie er in den sozialen Medien erklärte. Das Echo auf das Interview habe ihn überrascht, schrieb er. Die Frage nach den Morddrohungen sei nur eine unter vielen gewesen. „Solche Drohungen gehören heute leider fast schon zur Normalität einer Existenz als öffentliche Person, die sich zu manchen Themen klar äußert. Das trifft viele andere auch.“ Die Verrohung der Kommunikation allgemein bleibe ein wichtiges öffentliches Thema, betonte der Theologe.

Unterstützend reagierten unter anderem Politiker, aber auch Künstler, die teilweise selbst bedroht werden. Außenminister Heiko Maas (SPD) erklärte über Twitter, es sei unerträglich, wenn Mitmenschlichkeit und Barmherzigkeit zu Morddrohungen führten. „Wir müssen uns an die Seite aller stellen, die bedroht und verhetzt werden, weil sie sich für unsere Gesellschaft engagieren.“ Auch der Grünen-Politiker Cem Özdemir verurteilte die Drohungen: „Rechtsradikale entlarven sich selbst am besten. Sie geben vor, das christliche Abendland zu verteidigen & drohen Bischof mit Mord? Dümmer geht's nicht.“ schrieb er ebenfalls auf Twitter. „Die Täter wollen menschliche Werte nicht verteidigen, sie verachten sie. Solidarität mit Bedford-Strohm!“ Der jüdische Pianist Igor Levit nannte den Ratsvorsitzenden einen wahren Menschen, der Courage, Herz und Empathie zeige. Auch der Landesbischof der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM), Friedrich Kramer, versicherte Bedford-Strohm die Solidarität der Landeskirche: "Wir müssen hier als Gesellschaft deutlich widersprechen und klare Solidarität zeigen mit dem Engagement von Heinrich Bedford-Strohm. Er hat unsere volle Unterstützung."

Soziale Netzwerke „zum Schutzraum für Hetzer geworden“

Bedford-Strohm sagte in dem Interview, er nehme die Drohungen „nicht sehr ernst“, obwohl sie „recht konkret“ gewesen seien. Ein Sprecher der EKD bestätigte, dass es mehrere Drohungen gegeben habe, auch einen Brief, der am 17. September im Kirchenamt der EKD eingegangen war und ein zunächst unbekanntes weißes Pulver enthielt. Der Ratsvorsitzende setzt sich seit langem für die Seenotrettung ein. Auf Initiative der EKD hat sich das Bündnis „United 4 Rescue“ gebildet, das ein eigenes Rettungsschiff aufs Mittelmeer schicken will. Bedford-Strohm ist daran maßgeblich beteiligt.

Der Ratsvorsitzende nannte als Beispiel für Hass im Netz die bekanntgewordenen Morddrohungen gegen Mitarbeiter des Senders WDR nach dem umstrittenen Umwelt-Oma-Lied. Das sei „in keinem Fall hinnehmbar“, sagte der bayerische Landesbischof. Es sei wichtig, dass sie von der Polizei verfolgt werden: „Soziale Netzwerke sind zum Schutzraum für Hetzer geworden, das kann nicht sein.“

Menschen stachelten sich im Netz gegenseitig an und würden immun gegen andere Meinungen. Sie bekämen „das Gefühl, dass ihre menschenfeindlichen Äußerungen salonfähig sind – zumindest in den Filterblasen, in denen sie sich bewegen“, sagte Bedford-Strohm. Deshalb müssten Regeln entwickelt werden, die bereits mit einer „Ethik der Programmierer“ beginnen und auch eine Stärkung der Medienkompetenz sowie unabhängige Kontrollgremien umfassen. Die Evangelische Kirche mische sich in die Diskussion darüber ein, weil es dabei um die Menschenwürde gehe.

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