12.05.2025
Holocaust-Überlebende Margot Friedländer gestorben
Berlin (epd). Die Holocaust-Überlebende und Zeitzeugin Margot Friedländer ist am Freitag im Alter von 103 Jahren in ihrer Geburtsstadt Berlin gestorben, wie ihre Stiftung am Abend mitteilte.
Friedländer habe sich seit der Rückkehr nach Deutschland 2010 unermüdlich für Versöhnung und Erinnerung eingesetzt. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier erklärte: „Sie hat unserem Land Versöhnung geschenkt - trotz allem, was die Deutschen ihr als jungem Menschen angetan hatten. Für dieses Geschenk können wir nicht dankbar genug sein.“
Friedländer wurde am 5. November 1921 in Berlin geboren. Die Eltern und ihr Bruder wurden Opfer der Schoah, sie selbst versteckte sich über viele Monate im Untergrund in Berlin und überlebte das Konzentrationslager Theresienstadt. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs ging Margot Friedländer mit ihrem Mann nach New York. Erst 2003 besuchte sie erstmals wieder ihre Geburtsstadt und kehrte 2010 endgültig nach Berlin zurück.
Seit ihrer Rückkehr habe sie unzählige Schulen besucht und junge wie ältere Menschen ermutigt, das, was damals geschehen war, nie wieder zuzulassen, erklärte die Margot-Friedländer-Stiftung: „Ihre Worte 'Seid Menschen' haben Millionen von Menschen bewegt.“
Bundespräsident Steinmeier betonte: „Bis ins hohe Alter hinein berichtete sie hier und in ganz Deutschland von ihrem Schicksal, trat für Demokratie und Menschenrechte ein, wandte sich gegen Hass und jede Form von Rassismus, Antisemitismus und Menschenfeindlichkeit. Sie wusste, was Menschen anderen Menschen antun können. Und deshalb war es ihr so wichtig, dass die Erinnerung an die Zerstörung von Recht, Freiheit und Demokratie weitergetragen wird.“
Friedländer wurde vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Großen Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland und der Ehrenbürgerschaft in Berlin. „Nie klagte sie an. Margot Friedländer hat jeden, der ihr begegnete, mit ihrer Wärme, ihrer Zugewandtheit, ihrer ungeheuren Kraft beeindruckt. Ihre tiefe Menschlichkeit hat mich im Innersten berührt“, schrieb Steinmeier: „Wir verneigen uns vor Margot Friedländer, dieser wunderbaren deutschen Jüdin aus Berlin.“
Margot Friedländer wird in Berlin beigesetzt
Berlin (epd). Der Tod der Holocaust-Überlebenden Margot Friedländer (1921-2025) ist in Politik und Gesellschaft mit großer Trauer und in tiefem Respekt vor der engagierten NS-Zeitzeugin aufgenommen worden. Die Berliner Ehrenbürgerin werde in ihrer Geburtsstadt Berlin beigesetzt, sagte ein Sprecher ihrer Stiftung dem Evangelischen Pressedienst (epd) am Samstag. Ort und Tag sollen Anfang der Woche bekanntgegeben werden. Vor längerer Zeit war auch eine mögliche Bestattung an der Seite ihres Ehemanns in New York im Gespräch.
Margot Friedländer starb am Freitag mit 103 Jahren. Noch zwei Tage zuvor hatte sie bei einer Gedenkveranstaltung in Berlin zum 80. Jahrestag der Befreiung vom Nationalsozialismus und des Weltkriegsendes in Europa am 8. Mai 1945 bewegende Worte an die Gäste gerichtet und war dafür mit stehenden Ovationen bedacht worden.
Im Bundestag soll zu Beginn der Sitzungswoche für die Abgeordneten ein Kondolenzbuch ausgelegt werden. Dies kündigte Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) an. Sie habe diese Entscheidung vor dem Hintergrund der außergewöhnlichen Lebensleistung der NS-Verfolgten getroffen, erklärte Klöckner: „Mit dieser Geste bezeugt der Deutsche Bundestag seinen Respekt und seine Dankbarkeit gegenüber Margot Friedländer.“ Auch im Roten Rathaus, dem Sitz der Berliner Senatskanzlei, soll ein Kondolenzbuch ausgelegt werden.
Zahlreiche Politikerinnen und Politiker und weitere Persönlichkeiten äußerten tiefe Trauer über den Tod von Margot Friedländer. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hatte bereits am Freitagabend erklärt, sie habe „jeden, der ihr begegnete, mit ihrer Wärme, ihrer Zugewandtheit, ihrer ungeheuren Kraft beeindruckt“. Ihre tiefe Menschlichkeit habe ihn im Innersten berührt.
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) erklärte, Margot Friedländer sei „eine der stärksten Stimmen unserer Zeit“ gewesen, die sich „für ein friedliches Miteinander, gegen Antisemitismus und Vergessen“ starkgemacht habe. Sein Amtsvorgänger Olaf Scholz (SPD) erklärte, ihr Tod berühre ihn sehr. „Wir verlieren eine starke Frau, eine Kämpferin für Menschlichkeit“, betonte Scholz. Alt-Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte der Bild-Zeitung, „wir können gar nicht dankbar genug sein, dass Margot Friedländer die Kraft fand, von ihrer Leidens- und Lebensgeschichte zu erzählen“.
Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, betonte, Margot Friedländer habe „den Glauben an eine gerechte, friedliche Welt niemals aufgegeben. Ehren wir sie, indem wir diesen Glauben weitertragen.“ Der evangelische Berliner Bischof Christian Stäblein erklärte, gerade in einer Zeit, „in der Antisemitismus wieder wächst und demokratische Grundwerte infrage gestellt werden, war ihre Stimme ein Licht“. Der katholische Berliner Erzbischof Heiner Koch betonte: „Ihr Lebenszeugnis, Ihre Bereitschaft zur Versöhnung werden fehlen.“
Der Geschäftsführer des Internationalen Auschwitz Komitees, Christoph Heubner, erklärte, mit ihrer „leisen und klaren Botschaft der Erinnerung und der Menschenliebe, ihrer Würde und ihrer Präsenz“ habe Margot Friedländer viele Menschen berührt. Zugleich habe sie damit „immer wieder die Dunkelheit und die Dummheit des rechtsextremen und antisemitischen Hasses“ überstrahlt. Die jüdische NS-Überlebende war 1946, ein Jahr nach der Befreiung aus dem KZ Theresienstadt, mit ihrem Ehemann in die USA emigriert und mehr als sechs Jahrzehnte später mit 88 Jahren nach Berlin zurückgekehrt.
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