Opferberatungen fordern hartes Vorgehen gegen AfD | Mehr Diskriminierungsfälle nach Weihnachtsmarkt-Attentat
Erfurt (epd). Opferberatungen in Thüringen appellieren an die Landesregierung, die rechtsextreme AfD mit allen rechtsstaatlichen Mitteln zu bekämpfen.
Das bedeute auch, dass AfD-Politiker keine Schlüsselpositionen im Thüringer Parlament und dessen Gremien erhalten dürfen, teilte das Herausgebergremium der jährlich erscheinenden "Thüringer Zustände" anlässlich der Publikation der diesjährigen Ausgabe mit. Auch müsse eingehend geprüft werden, wie mit Mitgliedern der in Thüringen als gesichert rechtsextrem geltenden Partei im Staatsdienst umgegangen werden soll.
Die Publikationsreihe "Thüringer Zustände" bietet seit 2021 eine faktenbasierte Darstellung der Situation des Rechtsextremismus, des Antisemitismus und Rassismus in Thüringen. Sie versteht sich als zivilgesellschaftliche Ergänzung zu den Einschätzungen der staatlichen Behörden.
Frank Zobel von der Opferberatung ezra sagte, die aktuellen Entwicklungen in Thüringen seien alarmierend. Rechte Gewalt werde im Freistaat zum Massenphänomen und Queerfeindlichkeit nehme zu. Seit der Landtagswahl 2024 nutze die AfD ihre Sperrminorität, um demokratische Prozesse im Landtag zu blockieren. Sie nutzte das Plenum als Bühne für menschenverachtende Hetze und mache die Demokratie verächtlich.
Romy Arnold von der Opferberatung Mobit sagte, der Aufstieg der extremen Rechten zeige sich besonders deutlich unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Die Thüringer AfD sei dabei längst zum zentralen Gravitationspunkt für weite Teile der extremen Rechten geworden. Die Samthandschuhe im Umgang mit ihr müssten ausgezogen werden.
Mehr Diskriminierungsfälle nach Weihnachtsmarkt-Attentat
Magdeburg (epd). Nach dem Attentat auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt im Dezember vergangenen Jahres haben Angriffe gegen Migranten deutlich zugenommen. Das sagte die sachsen-anhaltische Integrationsbeauftragte, Staatssekretärin Susi Möbbeck (SPD), bei der Vorstellung der Bilanz der Antidiskriminierungsstellen für das Jahr 2024 am Montag in Magdeburg.
Es gebe eine Stimmungsveränderung in der Gesellschaft. Das sei eine relevante Entwicklung. Diskriminierung im Alltag sei in Sachsen-Anhalt kein Einzelphänomen. Man erlebe sie an vielen Stellen.
Dem Bericht zufolge haben Diskriminierungen von Menschen aufgrund von Herkunft, Religion, Hautfarbe oder anderen Merkmalen im vergangenen Jahr zugenommen. Eine wachsende Zahl an unverhohlen in der Öffentlichkeit geäußerten Abwertungen spiegele sich auch in den Beratungsfällen nieder, erklärte Möbbeck.
Die Integrationsbeauftragte forderte, die Finanzierung der Beratungsstellen zu verstetigen. Sachsen-Anhalt habe die Projekte im vergangenen Jahr mit rund 400.000 Euro gefördert. Auch der Bund gebe weitere Gelder dazu.
Den Angaben zufolge haben die verschiedenen Antidiskriminierungsstellen des Landes im vergangenen Jahr in rund 270 Fällen Unterstützung für Menschen angeboten, die sich diskriminiert fühlten. Davon entfielen den Angaben zufolge 133 Fälle auf die Antidiskriminierungsstelle Sachsen-Anhalt, eine zentrale Anlaufstelle für Menschen, die Alltagsdiskriminierung erleben, etwa am Arbeitsplatz, in Bildungseinrichtungen oder im Kontakt mit Behörden.
Wie in den Vorjahren habe sich der Großteil der Meldungen - rund 27 Prozent - auf rassistische Zuschreibungen bezogen, gefolgt von Diskriminierung wegen einer Behinderung sowie intersektionale, also mehrfache Benachteiligungen. Die Beratung erfolgt den Angaben zufolge an Standorten in Magdeburg, Halle und Stendal sowie durch eine mobile Beratung im Burgenlandkreis.
In einem Viertel der Fälle seien Diskriminierungen beim Zugang zum Arbeitsmarkt gemeldet worden, sagte Janine Weidanz von der Antidiskriminierungsstelle. Dabei gehe es etwa um Benachteiligungen im Bewerbungsverfahren oder Mobbing. Jede fünfte Beschwerde falle in den Bereich Bildung, etwa dass ausländischen Schülern kein Ausgleich für Nachteile gewährt werde.
"Ganz oft sind das Fälle von Alltagsdiskriminierungen", sagte Weidanz. Beispiele seien etwa Ausgrenzungen, Ignorieren oder diskriminierende Nachrichten in Chats.
Mika Kaiyama vom Landesnetzwerk der Migrantenorganisationen (Lamsa) berät Menschen in den Landkreisen Anhalt-Bitterfeld und Wittenberg sowie der Stadt Dessau-Roßlau. Im vergangenen Jahr habe sie über 40 Fälle bearbeitet, sagte Kaiyama. Schwerpunktmäßig gehe es um rassistische Diskriminierungsfälle.
Die Beratungsstelle Ofek, die bei antisemitischer Diskriminierung berät, verzeichnete nach eigenen Angaben im Jahr 2024 insgesamt 35 Beratungsfälle. Besonders seit dem Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 sei ein deutlicher Anstieg antisemitischer Vorfälle zu verzeichnen. "Jüdinnen und Juden machen sich zunehmend Sorgen um ihre Sicherheit", sagte Elitsa Kirova von Ofek.
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