11.10.2019
Sachsen-Anhalt demonstriert Solidarität mit jüdischen Gemeinden | Mehr als 1.000 Menschen versammeln sich vor Synagoge in Halle

Halle/Dessau-Roßlau/Magdeburg (epd). Sachsen-Anhalt trauert um die Opfer des antisemitischen Anschlags in Halle an der Saale. Die Fahnen wehen landesweit auf halbmast, an den Tatorten vor der Synagoge der Stadt und vor einem Döner-Imbiss häuften sich Blumen, Blumengebinde und Kerzen. Auch der Marktplatz mitten in der Stadt wurde zum Blumen- und Kerzenmeer. Dort trafen sich auch am Freitag erneut hunderte Menschen zum stillen Gedenken. Die Sachsen-Anhalter zeigten ihre Verbundenheit mit den jüdischen Gemeinden im Land. Während der Sabbat-Feier stellten sich am Freitagabend in Halle symbolisch mehr als 1.000 Menschen schützend vor die Synagoge in der Humboldtstraße, wie ein Sprecher der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM) mitteilte.

Die leitenden Geistlichen des Landes, Landesbischof Friedrich Kramer von der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM), Bischof Gerhard Feige vom katholischen Bistum Magdeburg und Kirchenpräsident Joachim Liebig von der Evangelischen Landeskirche Anhalts, hatten dazu aufgerufen, um ein Zeichen der Solidarität und engen Verbundenheit mit den jüdischen Geschwistern setzen. Sie erklärten: "Einen Angriff auf die jüdische Gemeinde sehen wir zugleich auch als einen Angriff auf unsere Kirchen."

An der als Menschenkette geplanten Gedenkveranstaltung nahmen auch Ministerpräsident Reiner Haseloff, Innenminister Holger Stahlknecht (beide CDU), EKM-Bischof Kramer und der anhaltische Kirchenpräsident Liebig teil. Zu Beginn habe ein Rabbiner ein Gebet gesprochen, Gemeindemitglieder hätten Süßigkeiten und Wein als Zeichen der Verbundenheit verteilt, sagte der EKM-Sprecher.

Die Kirchen sehen es nach eigenen Angaben als ihre Pflicht an, jeder Form von geistiger Brandstiftung im politischen, gesellschaftlichen und individuellen Umgang vehement zu begegnen. Es dürfe nicht nur in Deutschland - aber gerade auch in Deutschland - nie wieder vorkommen, "dass wir uns wegducken, dass wir wegschauen und weggehen, wenn Extremisten, gleich an welchem Rand, menschenverachtende Angriffe auf Synagogen sowie unsere Religions- und Glaubensfreiheit, genauso wie auf andere wesentliche Menschen- und Grundrechte verüben", erklärten sie.

Rund 100 Menschen versammelten sich auch zu einer Mahnwache vor dem Jüdischen Gemeindehaus in Dessau-Roßlau. Es wurde gebetet und gesungen. Dazu aufgerufen hatte der Christlich-Jüdische Gesprächskreis Dessau-Roßlau in Absprache mit der Jüdischen Gemeinde, wie ein Sprecher der Landeskirche Anhalts mitteilte. In Magdeburg hatte das Bündnis gegen Rechts zu einer Mahnwache vor dem Gemeindehaus der Synagogengemeinde in der Stadt aufgerufen. Nach Angaben eines Sprechers beteiligten sich daran rund 100 bis 150 Menschen, darunter Vertreter der Stadtrats- und Landtagsfraktionen.

Ministerpräsident Haseloff hatte am Mittwoch in Halle ausdrücklich betont, dass jüdisches Leben in Sachsen-Anhalt erwünscht sei. Dabei verwies er auch darauf, dass in Dessau-Roßlau und Magdeburg neue Synagogen gebaut werden sollen.

In Halle waren am Mittwoch eine 40 Jahre alte Frau und ein 20 Jahre alter Mann erschossen worden. Der schwer bewaffnete Täter wollte in die Synagoge im Paulusviertel in Halle eindringen. Zu dem Zeitpunkt hatten sich in der Synagoge 51 Menschen zum höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur versammelt. Der Mann scheiterte an der geschlossenen Tür zum Gelände der Synagoge.

Gegen den mutmaßlichen Täter wurde Haftbefehl wegen zweifachen Mordes und mehrfachen Mordversuches erlassen, er sitzt in Untersuchungshaft. Die Tat hat er gestanden und sein rechtsextremistisches und antisemitisches Motiv bestätigt.

Mahnwache vor jüdischem Gemeindehaus in Dessau-Roßlau

Dessau-Roßlau (epd). Nach dem rechtsextremen Anschlag auf eine Synagoge in Halle an der Saale in Sachsen-Anhalt ist am Freitag eine Mahnwache vor dem Jüdischen Gemeindehaus in Dessau-Roßlau abgehalten worden. Dazu aufgerufen hatte der Christlich-Jüdische Gesprächskreis der Stadt in Absprache mit der Jüdischen Gemeinde, teilte ein Sprecher der Evangelischen Landeskirche Anhalts am Freitag mit. Rund 100 Menschen waren seinen Angaben zufolge dem Aufruf gefolgt, haben Gebete gesprochen und Lieder gesungen, um ihre Solidarität mit den jüdischen Gemeinden zum Ausdruck zu bringen.

Unter den Teilnehmern waren unter anderen die Dessauer Kreisoberpfarrerin Annegret Friedrich-Berenbruch und der katholische Propst Matthias Hamann. Anschließend hatten verschiedene Initiativen in der Stadt zu einer Kundgebung an der Dessauer Friedensglocke aufgerufen. Der Moderator des Gesprächskreises und pensionierte Pfarrer Wolfram Hädicke sagte: "Wir wollen an diesem Ort unsere Betroffenheit über die schrecklichen Ereignisse in Halle zum Ausdruck bringen."

In Halle waren am Mittwoch eine 40 Jahre alte Frau und ein 20 Jahre alter Mann erschossen worden. Der schwer bewaffnete Täter wollte in die Synagoge im Paulusviertel eindringen, was misslang. Zu dem Zeitpunkt hatten sich in der Synagoge insgesamt 51 Menschen zum höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur versammelt. Der 27-Jährige hat seine Tat gestanden und bestätigt, dass er aus antisemitischen und rechtsextremistischen Motiven handelte. Gegen ihn wurde Haftbefehl wegen zweifachen Mordes und mehrfachen Mordversuchs erlassen.

Jüdische Landesgemeinde sieht Gefahr durch Nachahmer

Erfurt (epd). Nach dem Anschlag auf die Synagoge in Halle am Mittwoch mit zwei Todesopfern hat die Jüdische Landesgemeinde in Thüringen einen Ausbau der Sicherheitsvorkehrungen gefordert. Diese dürften nicht nur auf die aktiven Synagogen beschränkt bleiben, sondern müssten zum Beispiel auch auf ehemalige Gotteshäuser, die heute als Veranstaltungsorte oder Museen genutzt werden, ausgeweitet werden, sagte der Vorsitzende Reinhard Schramm am Freitag in Erfurt. Es bestehe die Gefahr von Nachahmern und Trittbrettfahrern, fügte er hinzu.

Die Landesgemeinde sei noch immer schockiert. Obwohl gerade erst neue Zaun- und Toranlagen in und an der Erfurter Synagoge fertiggestellt worden seien, frage er sich, ob sie einem Angriff wie in Halle standgehalten hätten. Alle seien nach dem Gottesdienst am Mittwoch froh gewesen, als sie die Polizisten am Eingang zum Gemeindezentrum gesehen hätten, erklärte Schramm.

In einer Atmosphäre von zunehmenden Nationalismus und wachsendem Hass und Gewalt gegen Minderheiten müsse mit weiteren Übergriffen gerechnet werden. Er hoffe, er irre sich, aber "die werden vor nichts zurückschrecken", warnte der Landesvorsitzende.

Fremdenfeindlichkeit und Rassismus dürften nicht toleriert werden. Dieses Thema gehe die ganze Gesellschaft an. Als der Täter in Halle nicht in das jüdische Gotteshaus eindringen konnte, habe er einfach zwei Menschen - einen davon in einem Dönerladen - erschossen. Dabei habe er wohl nach dem Motto gehandelt, wenn ich schon keine Juden erwische, dann wenigstens Muslime, meinte Schramm.

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