22.08.2019
Thierse: "Wirkliche Demokratie ist keine Talkshow"

Wittenberg (epd). Der ehemalige Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) hat zur Verteidigung der Demokratie vor populistischen und autoritären Bestrebungen aufgerufen. "Wirkliche Demokratie ist keine Talkshow", sondern langsam, schweißtreibend und immer auf der Suche nach Kompromissen, sagte Thierse am Mittwoch in Wittenberg beim "1. Forum Reformation".

Politiker, Parlamente und Regierungen sollten ihre Pflicht tun und schrittweise die anstehenden Probleme abarbeiten.

Dabei sei es wichtig, so Thierse, dass Politiker ihre Ziele in verständlicher und einladender Sprache erklären und darüber debattieren. Den Medien und Journalisten komme die Aufgabe zu, komplexe Sachverhalte verständlich zu übersetzen. An die Stelle von Personalisierung und Skandalisierung politischer Sachverhalte sollten die Medien die Übersetzung ins Verständliche übernehmen.

Thierse sprach zum Thema "Warum wir eine streitbare Demokratie brauchen". Im Rahmen des seit Sonntagabend tagenden "1. Forums Reformation" standen noch bis Mittwochabend verschiedene Vortrags- und Diskussionsveranstaltungen auf dem Programm. Unter dem Motto "Streitbar leben" ging es vor allem um interkonfessionelle, interreligiöse und interkulturelle Fragen.

Der SPD-Politiker warb auch dafür, Teilhabe und Partizipation der Bürger zu erweitern, ohne sich dabei aber der "Faszination plebiszitärer Demokratie" auszuliefern, so der 75-jährige Katholik. Der friedliche Streit sei ein Wesenselement der Demokratie. Zugleich gelte es diese "diskursive Herrschaftsform" gegen das Missverständnis zu verteidigen, Demokratie bedeute die Herrschaft der Mehrheit: "Demokratie ohne Minderheitenrechte ist keine Demokratie."

Weiter sagte Thierse, eine gelingende Demokratie brauche ein gemeinsames Fundament. Dies sei umso wichtiger, je streitbarer und pluralistischer eine Gesellschaft sei.

Als Referenten waren beim "Forum Reformation" unter anderem "Akteure der Zivilgesellschaft" eingeladen, darunter der ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Nikolaus Schneider mit seiner Frau Anne, die Mitbegründerin einer liberalen Moschee in Berlin und Rechtsanwältin Seyran Ates und der Theologe und Publizist Friedrich Schorlemmer. Die Veranstaltungen fanden im Stadthaus der Lutherstadt Wittenberg, in der Evangelischen Akademie Sachsen-Anhalt und in der Franziskanerkirche statt.

Veranstalter war der 2018 durch den Bonner Pfarrer Siegfried Eckert gegründete Verein Forum Reformation, der "für eine Reformationsgeschichte mit Gesellschaftsrelevanz eintritt". Das Forum Reformation soll künftig alle zwei Jahre im Wechsel mit einem Gemeinde-Base-Camp stattfinden und 2030 "in ein international wirkendes Weltreformationsforum Wittenberg" münden.

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