14.05.2025
Thomas Müntzer: Radikaler Theologe auf Seite der Bauern | Vor 500 Jahren: Bauernaufstand bedroht Adel und Luthers Reformation
Erfurt (epd). Am 27. Mai 1525 wurde Thomas Müntzer (um 1489-1525) vor den Toren des thüringischen Mühlhausen zur Richtstätte geführt, sein Kopf später zur Abschreckung auf einen Pfahl aufgespießt und öffentlich zur Schau gestellt.
Im Bauernkrieg kannte der siegreiche Adel nur wenig Gnade mit den Aufständischen. Und Müntzer, dieser radikale Theologe, hatte die Herrschaft der Fürsten herausgefordert.
Der reformatorische Pfarrer von St. Marien in Mühlhausen wollte eine „gottgefällige“ Regierungsführung, die die verzweifelte Situation der Bauern in den Blick nahm. Knapp zwei Wochen vor seiner Hinrichtung war er mit den Bauern in die Schlacht bei Frankenhausen gezogen. In vielen mittel- und süddeutschen Regionen erhoben sich 1524/25 Bauern gegen politische und soziale Repressionen durch ihre Landesherren, gegen Abgaben und die Beschneidung von Rechten.
Die Schlacht bei Frankenhausen sollte eine vernichtende Niederlage für die Aufständischen werden, das Fürstenheer tötete rund 6.000 Menschen. Müntzer wurde gefangengenommen und vor seiner Enthauptung gefoltert. Der Protest der Bauern in Mitteldeutschland, der in der DDR-Forschung als „frühbürgerliche Revolution“ gedeutet wurde, war niedergeschlagen.
Müntzer war Reformator wie Martin Luther (1483-1546). Aber: „Martin Luther sah die Hinrichtung Müntzers als durchaus gerechtfertigt an“, sagt der Historiker und Vorsitzende der Thomas Müntzer-Gesellschaft, Thomas Müller. Bereits wenige Tage vor der Schlacht hatte der Wittenberger die Schrift „Wider die mörderischen und räuberischen Rotten der Bauern“ verfasst, mit der er sich direkt an die Fürsten wandte. Eindringlich rief Luther darin die Landesherren dazu auf, die Aufständischen zu töten und zu strafen. Dies sei Gottes Wille.
„Die Bauernaufstände gefährdeten Luthers Reformation“, sagt Müller zur Begründung. Die aufständischen Bauern beriefen sich unter anderem auch auf die Schriften Martin Luthers, darunter „Von der Freiheit eines Christenmenschen“. „Doch dieser wusste, dass 'seine' Reformation nur mit Unterstützung der protestantischen Fürsten Erfolg haben könne. Er brauchte deren Schutz gegen die altgläubige, wir würden heute sagen, die katholische Seite.“ Indem Luther sich von Thomas Müntzer distanzierte, hielt er das Bündnis mit den Fürsten aufrecht.
Dabei waren beide Männer noch bis 1520 enge Weggefährten. Vermutlich im Jahr 1489 in Stolberg im Harz geboren, hatte Müntzer in Leipzig und Frankfurt an der Oder studiert und war 1513 zum Priester geweiht worden. Früh kam er mit Luther und dessen Lehren in Kontakt.
Theologisch seien sie jedoch rasch in unterschiedliche Richtungen gegangen, sagt Christan Beuchel, Superintendent im Kirchenkreis Mühlhausen. Müntzers Theologie forderte eine gesellschaftliche Umgestaltung und ging von einer direkten Verbindung zwischen Gott und den Gläubigen aus: Nicht mehr die Bibel, wie von Luther gelehrt, offenbart demnach Gottes Wort. Vielmehr wendet sich Gott in der Verkörperung des Heiligen Geistes in Visionen und Träumen direkt an die Menschen. „Er kam von der Mystik“, sagt Beuchel über Müntzer.
In der heutigen Superintendentur gegenüber der Mühlhäuser Marienkirche hat Müntzer die letzten zwei Monate seines Lebens gewohnt. Drei kleine Fenster lassen etwas Licht in den Raum im Erdgeschoss des Gebäudes, in dem jetzt Beuchels Arbeitszimmer ist. Die dunklen Wände aus großen, behauenen Natursteinen schlucken einen guten Teil des einfallenden Lichts.
Historiker Müller, der nach langen Jahren als Chef der Mühlhäuser Museen seit 2023 den Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt als Direktor vorsteht, sagt, Müntzer sei wie viele seiner Zeitgenossen von Endzeiterwartungen getrieben gewesen. Darauf habe er seine radikale Theologie aufgebaut: Nur jener dürfe das nahende Himmelreich erwarten, der gegen den „Unglauben“ im Christentum vorgehe. Mit seiner Radikalität sei er zur Gefahr für den Adel und auch die protestantischen Fürsten geworden. „Aber anders, als dies später so oft behauptet wurde, war er nie der militärische Kopf eines Bauernheers oder gar einer Revolution - er war, und so sah er sich auch selbst, vor allem Theologe.“
Thomas Müntzer - ein Bauernopfer für die lutherische Reformation? „Die Theologen in Wittenberg hatten jedenfalls ein Interesse daran, ihn - auch gegen besseres Wissen - zum alleinigen Anführer der Aufständischen zu machen und sich selbst damit von jeder Mitschuld, welche ihnen von den Katholiken durchaus zugeschrieben wurde, reinzuwaschen“, sagt Müller. Historische Quellen, die Müntzers Rolle als Bauernführer belegen würden, kenne er jedenfalls nicht. Die Führung in der Schlacht von Bad Frankenhausen hätten angeheuerte Landsknechte übernommen.
Beuchel hingegen sieht in Müntzer sehr wohl eine wichtige Persönlichkeit des Bauernaufstands in Mitteldeutschland. „Er war ein Unruhegeist“, sagt Beuchel, „Müntzer war in den letzten zehn Jahren seines Lebens an 25 Orten, musste fliehen, wurde vertrieben und ausgewiesen.“ Aber er sei eine Persönlichkeit gewesen, dessen Wort Gewicht bei seinen Zeitgenossen gehabt habe. Denn Müntzer habe das Leid der Bauern und niederen Stände gesehen.
Der Bauernkrieg und die Reformation
Frankfurt a. M. (epd). Schon sehr früh berufen sich die aufständischen Bauern 1524/1525 auf die Ideen der Reformation. Die „Freiheit eines Christenmenschen“, die Martin Luther (1483-1546) propagiert, sehen sie als Bestätigung ihrer politischen Forderungen. Während allerdings Luther auf dem Standpunkt steht, dass weltliche Forderungen nicht mit der Bibel begründet werden können, leitet der Schweizer Reformator Ulrich Zwingli (1484-1531) aus ihr durchaus ein Widerstandsrecht ab.
Die „Zwölf Artikel“ von Memmingen, die Bauern Anfang März 1525 verfassen, gelten heute als eine der frühesten schriftlichen Forderungen nach Freiheits- und Menschenrechten in Europa. In diesem zentralen Manifest verlangen sie unter anderem die Abschaffung der Leibeigenschaft, die Reduktion der Fron, die Begrenzung von Abgaben - und das Recht, ihre Pfarrer selbst zu wählen. Dazu rufen die Bauern bedeutende Reformatoren als Schiedsrichter an. Martin Luther, Philipp Melanchthon (1497-1560) oder Ulrich Zwingli sollen entscheiden, ob die Forderungen rechtmäßig sind.
Luther hat zwar zunächst Verständnis für die Bauern, ermahnt sie und die Fürsten allerdings zum Frieden. Nach dem „Weinsberger Blutostern“, als die Bauern Ritter durch Spießrutenlaufen töten, ruft er mit drastischen Worten zum Kampf gegen die Bauern auf: „Darum soll sie zerschmeißen, würgen und stechen, heimlich und öffentlich, wer da kann.“ Er stellt klar, dass seine Theologie kein Freibrief zum politischen Umsturz sei.
Der Theologe Thomas Müntzer (um 1489-1525) fordert in Mitteldeutschland das Ende der Adelsherrschaft und den Beginn einer neuen, gottgefälligen Ordnung. Nach seiner Überzeugung ist der Tag des Jüngsten Gerichts nahe, und die Frommen müssen die Gottlosen mit dem Schwert strafen. Er wirbt für die Reformation und verurteilt die schlechten Lebensbedingungen der Bauern.
Die Schlacht bei Bad Frankenhausen
Mühlhausen/Bad Frankenhausen (epd). Die Schlacht bei Frankenhausen in Thüringen am 15. Mai 1525 war ein entscheidender Moment im Bauernkrieg 1524/25. Sie markierte das Ende der Bauernaufstände in Mitteldeutschland und führte zur vollständigen Niederlage der aufständischen Bauern um Thomas Müntzer (um 1489-1525).
Als Gründe für die Reihe von Erhebungen, die seit 1524 in vielen Teilen des Heiligen Römischen Reichs ausbrachen, gelten vor allem die gestiegene wirtschaftliche Not der Landbevölkerung ebenso wie das Aufkommen des reformatorischen Gedankenguts, das den Wunsch nach sozialen Veränderungen hervorrief. Die Aufstände wurden in erster Linie von Bauern, Städtern und Bergleuten getragen.
Die Schlacht zeigte die militärische Überlegenheit der Fürstenheere und die mangelnde Einheit der Bauernbewegung, was letztlich zu ihrem Scheitern führte. Müntzer selbst wurde nach der Schlacht gefangengenommen, gefoltert und zwölf Tage später vor den Toren der Stadt Mühlhausen enthauptet.
Die Niederlage hatte weitreichende Folgen: Sie festigte für Jahrhunderte die Macht der Fürsten und verhinderte eine grundlegende gesellschaftliche Veränderung zugunsten der Bauern. Gleichzeitig wurde sie zu einem Symbol für den Kampf gegen Unterdrückung und soziale Ungerechtigkeit.
In Bad Frankenhausen erinnert heute im Panorama Museum ein Monumentalgemälde des Leipziger Malers Werner Tübke (1929-2004) an die Ereignisse: das mehr als 17.000 Quadratmeter große Bauernkriegspanorama „Frühbürgerliche Revolution in Deutschland“, das noch zu DDR-Zeiten fertiggestellt wurde.
Von Matthias Thüsing (epd)
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