27.10.2020
Thüringen schaut beim Entstehen einer neuen Tora zu

Erfurt (epd). Das Themenjahr "Neun Jahrhunderte jüdisches Leben in Thüringen" strebt seinem ersten Höhepunkt entgegen: Die im Entstehen befindliche neue Tora für die jüdischen Landesgemeinde geht auf Reisen.

Wie die Projektleiterin der Arbeitsgemeinschaft "Tora ist Leben", Alexandra Husemeyer, am Montag in Erfurt ankündigte, kann der "Sofer" zum ersten Mal am 4. November bei seiner Arbeit beobachtet werden. "Sofer" ist das hebräische Wort für Schreiber. Konkret ist die Arbeit von Reuven Yaacobov in der Synagoge im südthüringischen Berkach zu verfolgen.

Zu dem Termin in Berkach wird neben dem Landesvorsitzenden der Jüdischen Gemeinde, Reinhard Schramm, auch der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, erwartet. Danach seien neun weitere öffentliche Auftritte Yaacobovs unter anderem in Erfurt, Nordhausen und Eisenach geplant, sagte Husemeyer. Sie koordiniert im Auftrag der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM) und des Bistums Erfurt die Abschrift einer hebräischen Bibel als Geschenk der Christen an die Juden des Landes.

Man sei für dieses Geschenk sehr dankbar, erklärte Schramm. Mit der Tora erhalte das Themenjahr eine ganz neue Qualität. Die Vorstellung der hebräischen Bibel vermittele Wissen, das für den Respekt vor den Leistungen jüdischer Wissenschaftler, Künstler oder Ärzte und ihren prägenden Einfluss auf die Entwicklung Thüringens in den vergangenen Jahrhunderten unerlässlich sei. Das Wissen und der Respekt seien nötig im Kampf gegen einen wieder um sich greifenden Antisemitismus.

Landesrabbiner Alexander Nachama verwies auf die große Bedeutung der Tora mit ihren fünf Büchern Mose auf das jüdische Leben. Ihre 613 Gebote bezeichnete er als Quell der Freude. Durch die unterschiedliche Auslegung der Schrift und die Debatte darüber bleibe die hebräische Bibel lebendig. "Dass Thüringens Christen uns eine neue Tora schenken, zeigt, wie wichtig Katholiken und Protestanten ein florierendes jüdisches Leben auch in der Zukunft ist", sagte er.

Für die EKM hob Oberkirchenrat Christhard Wagner die gemeinsame Geschichte der jüdischen und christlichen Religionen hervor: "Wir leben und glauben aus der gleichen Wurzel." Man respektiere die Unterschiede im Glauben und freue sich über das Verbindende. "Es ist mehr, als uns trennt", erklärte der evangelische Geistliche.

Parallel zum öffentlichen Schreiben gebe es ein Vortragsprogramm und Workshops mit etwa 700 Thüringer Schülern der siebten bis zehnten Klasse, kündigte Husemeyer an. Dabei gehe es um die Vermittlung grundlegender Aspekte des jüdischen Glaubens und jüdischer Kultur. So würden die jungen Leute lernen, wie man das Wort "Schalom" für Frieden oder den eigenen Namen auf Hebräisch schreibt.

Wie weit der "Sofer", der vor einem Jahr mit der Abschrift der exakt 304.805 Buchstaben begonnen hatte, bereits ist, konnte Landesrabbiner Alexander Nachama nicht genau sagen. Er gehe aber ganz fest davon aus, dass die Gemeinde am 30. September 2021, dem jüdischen Festtag zu ihren Ehren, die neue Tora feierlich in Gebrauch nehmen kann. Zuvor soll sie durch die Erfurter Innenstadt getragen werden, anschließend sei ein großes Fest in der Synagoge geplant.

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