09.04.2020
"Thüringer Erklärung" zur Befreiung des KZ Buchenwald vor 75 Jahren | Scheidender Gedenkstättendirektor Knigge hofft auf Zeichen der Mitmenschlichkeit und Demokratie

Weimar (epd). In Erinnerung an die Befreiung der Thüringer Konzentrationslager vor 75 Jahren wehen ab Donnerstag vor öffentlichen Gebäuden in Weimar, Erfurt und Nordhausen speziell gestaltete Banner.

Darauf werde Bezug genommen auf die "Allgemeine Erklärung der Menschenrechte" von 1948 und die zentrale Lehre aus dem Nationalsozialismus, dass alle Menschen gleich an Würde und Rechten geboren sind, sagte der Stiftungsdirektor der Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, Volkhard Knigge, am Mittwoch in Weimar.

Zugleich kündigte er eine "Thüringer Erklärung" an. Sie soll am Samstag zum 75. Jahrestag der Befreiung des KZ Buchenwald am 11. April 1945 auf der Internetseite www.thueringer-erklaerung.de veröffentlicht werden. Die Erklärung wurde von der Gedenkstätten-Stiftung und den Repräsentanten der höchsten Verfassungsorgane Thüringens gemeinsam mit Überlebenden verfasst. Sie trägt den Titel "75 Jahre danach - Historische Verantwortung wahren - Demokratie und Menschenrechte verteidigen". Der für vergangenen Sonntag (5. April) geplante Gedenkakt zur Befreiung der KZ war aus Rücksicht auf die hochbetagten Überlebenden wegen der anhaltenden Corona-Krise abgesagt worden. Die Homepage der "Thüringer Erklärung" enthält unter anderem auch Statements von Überlebenden und Nachgeborenen.

Als Beispiel verwies Knigge auf die auf den 5. April hin geschriebene Rede von José Brunner aus Tel Aviv, Enkel des Buchenwaldhäftlings Maximilian Brunner. Brunner beziehe sich darin unter anderem auf die vielen ungestraft gebliebenen NS-Täter und das erhalten gebliebene "politische Virus des Hasses, des Rassismus in all seinen Ausprägungen, und des Autoritarismus": "Wie auch immer mutiert, bedroht es weiterhin Minderheiten und sozial Schwächere. Es bedroht all die, die den politischen Nachkommen und Verwandten der Täter als fremd und als minderwertig gelten", schreibe Brunner. Gegen dieses gewalttätige, zerstörerische Virus, das immer wieder zur Epidemie zu werden drohe, gebe es keine Impfung. "Deshalb muss man sich ihm immer wieder von neuem widersetzen." Dazu diene die Erinnerung an Buchenwald, heißt es in dem Text.

Knigge rief Menschen guten Willens dazu auf, sich der Erklärung anzuschließen. Sie setzten damit auch ein Zeichen gegen diejenigen, die vom Nationalsozialismus als "Vogelschiss" sprechen würden oder eine Kehrtwende der Erinnerungskultur forderten, erklärte Knigge mit Blick auf Äußerungen führender AfD-Politiker. Auch wenn es ins Herz schneide, dass die Begegnung mit den Überlebenden nicht stattfinden könne, gebe die durch die Pandemie entstandene Situation jedem Menschen die Gelegenheit, ein Zeichen zu setzen, so Knigge weiter: "Erinnerung und das Eintreten für Mitmenschlichkeit und Demokratie sind nicht an Jahrestage oder herausgehobene Gedenkakte gebunden. Sie haben ihren Platz im Alltag - immer und jederzeit", erklärte er.

Insgesamt starben nach Stiftungsangaben von 1937 bis 1945 mehr als 76.000 Männer, Frauen und Kinder in den Konzentrationslagern Buchenwald bei Weimar und Mittelbau-Dora bei Nordhausen. Mehr als 340.000 Menschen aus ganz Europa wurden in die beiden KZ und deren Außenlager verschleppt.

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