27.05.2019
Warnung vor Kippa-Tragen entfacht Debatte über Sicherheit von Juden

Berlin (epd). Mit dem Rat an Juden, nicht immer und überall in Deutschland eine Kippa zu tragen, hat der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, eine heftige Kontroverse ausgelöst.

Israels Staatspräsident Reuven Rivlin reagierte schockiert und bezeichnete die Äußerung als "Kapitulation vor dem Antisemitismus". Der Präsident des Zentralrates der Juden, Josef Schuster, zeigte sich besorgt über Gewalttaten gegen Juden. Politiker und die evangelische Kirche forderten ein entschlossenes Vorgehen von Staat und Gesellschaft gegen jeglichen Antisemitismus.

Ängste über die Sicherheit deutscher Juden seien ein Eingeständnis, dass "Juden in Deutschland wieder nicht sicher sind", sagte Rivlin am Sonntag. Die Verantwortung für das Wohlergehen, die Freiheit und das Recht auf Religionsausübung liege in den Händen der deutschen Regierung und der Strafverfolgungsbehörden.

Der Antisemitismusbeauftragte Klein hatte der Funke Mediengruppe (Samstag) gesagt, er könne "Juden nicht empfehlen, jederzeit überall in Deutschland die Kippa zu tragen". Zur Begründung verwies er auf die gestiegene Zahl antisemitischer Straftaten, von denen etwa 90 Prozent dem rechtsradikalen Umfeld zuzurechnen seien.

Mit seinem provozierenden Statement habe er "bewusst eine Debatte über die Sicherheit der jüdischen Gemeinschaft in unserem Land anstoßen" wollen, sagte Klein dem Evangelischen Pressedienst (epd): "Natürlich bin ich der Auffassung, dass es nirgendwo in Deutschland No-Go-Areas für Juden oder Angehörige von anderen Minderheiten geben darf." Von Politik, Gesellschaft und Sicherheitsbehörden seien aber jetzt Wachsamkeit, Zivilcourage und konsequentes Eingreifen gefordert.

Zentralrats-Präsident Schuster nannte es "seit längerem eine Tatsache, dass Juden in einigen Großstädten potenziell einer Gefährdung ausgesetzt sind, wenn sie als Juden zu erkennen sind". Es sei daher gut, wenn diese Situation "auch auf höchster politischer Ebene mehr Aufmerksamkeit erfährt", sagte er dem epd. Die ganze Gesellschaft müsse sich die Bekämpfung des Antisemitismus zu eigen machen.

Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) nannte die "immer häufigeren" Gewalttaten gegen Juden beschämend. "Rechte Bewegungen greifen unsere Demokratie an und zielen auf unser friedliches Zusammenleben", sagte sie dem "Handelsblatt" (Samstag/online). Jüdisches Leben müsse mit allen Mitteln des Rechtsstaats geschützt werden.

NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) sagte dem WDR, er könne Juden "nur ermuntern, sich nicht einschüchtern zu lassen und stattdessen stolz und erhobenen Hauptes durch Deutschland zu gehen - selbstverständlich auch mit Kippa". Es dürfe in Deutschland "nie wieder No-Go-Areas für Mitbürger jüdischen Glaubens geben". Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sagte im Bayerischen Rundfunk, antisemitischen Gewalttaten dürfe nicht nachgeben werden: "Wir müssen für alle Menschen in unserem Land die Religionsfreiheit gewähren."

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm, zeigte sich "unendlich traurig, dass wir in unserem Land überhaupt diese Diskussion führen müssen". Die einzig angemessene Reaktion darauf sei "null Toleranz gegenüber dummen antisemitischen Sprüchen oder allen anderen Formen von antisemitischen Angriffen auf Juden", sagte der Theologe den Funke-Zeitungen.

Antisemitismus-Beauftragter: Bei Hitlergruß Neonazi-Marsch auflösen

Berlin (epd). Der Antisemitismus-Beauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, fordert ein entschiedeneres Einschreiten der Polizei gegen Neonazi-Aufmärsche. Bei rechtsextremen Parolen wie am 1. Mai in Plauen hätte die Polizei den Marsch der Neonazis sofort abbrechen müssen, sagte Klein den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Samstag). "Es ist nicht der erste Fall, dass Männer den Hitlergruß vor den Augen der Polizei zeigen und nichts passiert", kritisierte er. In Plauen hatte am 1. Mai ein Fackel-Aufmarsch von Neonazis für bundesweites Aufsehen gesorgt.

Klein forderte Schulungen für Polizisten und andere Beamten für den Umgang mit Antisemitismus. Es gebe viel Unsicherheit bei Polizisten und bei Behördenmitarbeitern im Umgang bei dem Thema. "Viele Beamte wissen nicht, was erlaubt ist und was nicht", sagte der Antisemitismus-Beauftragte. Es gebe eine klare Definition von Antisemitismus, und die müsse in den Polizeischulen gelehrt werden, forderte der Beauftragte: "Genauso gehört sie in die Ausbildung der Lehrer und Juristen." Manche Lehrer duldeten es offenbar, dass das Wort "Jude" als Schimpfwort verwendet werde. "Viele Lehrer können damit nicht umgehen", sagte Klein.

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