Hans-Christoph Schilling, Notfallseelsorger Tannroda

„Ich hatte am Anfang ein bisschen Zittern in den Beinen, weil ich nicht wusste, ob ich immer die richtigen Worte finden würde. Der Einsatz führt ja immer in sehr sensible Situationen.“

Das war vor rund zehn Jahren. Seit dieser Zeit ist Hans-Christoph Schilling als ehrenamtlicher Notfallseelsorger in Weimar und dem Weimarer Land im Einsatz. Er lebt in Tannroda bei Bad Berka und ist Pfarrer im Ruhestand. Bis zu vierzehn Mal im Jahr wurde er bisher von den Einsatzzentralen der Polizei oder Feuerwehr gerufen. Dann fuhr er los, zu einem Notfall.

Beim ersten Mal hatte sich ein Mann das Leben genommen: Suizid durch Stromschlag. Hans-Christoph Schilling saß eineinhalb Stunden bei der Familie zuhause, hörte zu, stellte auch Fragen. „Beim Abschied sagte mir die Frau: ‚Es hat uns gutgetan. Schön, dass Sie da waren.‘ - Ein Satz, der mich berührte.“

Unfall, Suizid, plötzlicher Tod im Schlaf. Für Angehörige und Freunde ist es immer schwer. Wie geht man als Notfallseelsorger mit der Situation um? „Das kontrollierte Zuhören, sich selbst zurücknehmen, hören, was der andere sagen will - das ist wichtig. Wir Menschen neigen ja dazu, immer viel von uns selbst zu erzählen. Zuhören muss man üben, gerade in der Notfallseelsorge.“ Die meisten Betroffenen wollten reden, sagt Schilling: „Es gibt so viel, was ihnen in dem Moment auf der Seele lastet.“

Doch es kommt auch einmal vor, dass der Notfallseelsorger für die Betroffenen nichts tun kann. Dass er an sie nicht herankommt. Wie damals bei der jungen Frau, deren Mann ganz plötzlich verstorben war. Einfach umgefallen: „Sie saß die ganze Zeit stumm auf dem Boden, den Rücken mir zugewandt. Die Trauer war so übermächtig. Ich konnte gar nichts machen. Es wäre völlig falsch gewesen, jetzt ein Gespräch anzubahnen. Ich hätte damit die Trauer gestört.“

Doch meist sind die Angehörigen dankbar, dass Schilling da ist. Und auch Polizisten, Feuerwehrleute und Ärzte sind es: „Es tut ihnen gut, wenn sie sich auf ihre Aufgaben konzentrieren können. Und sie wissen, dass jemand für die Betroffenen da ist, wenn sie gehen müssen.“

Man muss kein Pfarrer sein, um Notfallseelsorger zu werden. Die Ausbildung geschieht in vier Wochenend-Lehrgängen. Aber Hans-Christoph Schilling hilft es, dass er als Pfarrer zugleich Seelsorger  war, ein offenes Ohr haben musste für die Sorgen und Nöte der Menschen. Und: Alle ein bis zwei Monate trifft sich das Notfallseelsorge-Team zur Supervision. Dort werden konkrete Fälle besprochen.

Es gab auch schon Situationen, da musste Pfarrer Schilling schlucken. Die waren schwer, auch für ihn. Abgebrochen hat er den Einsatz bislang aber noch nicht. Wenn die Anzahl der Betroffenen zu groß oder z. B.  Kinder anwesend sind, kann er Verstärkung aus dem Team anfordern.

Nach einem Einsatz schreibt Hans-Christoph Schilling sofort das Protokoll. Dann sei das Ganze noch frisch. „Dadurch gebe ich das Erlebte auch ein Stückchen ab.“


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