22.12.2020
barmherzig sein ...

Jesus Christus spricht: "Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist." (Lk. 6,36)

Mit dem Text der Jahreslosung ins neue Jahr starten, das ist schön.
Doch dieser Text ist gar nicht so harmlos, wie er auf den ersten Blick wirkt.

Wir sollen barmherzig sein, so wie Gott unser Vater, barmherzig ist?! Da denke ich an den verlorenen Sohn, der egoistisch seinen eigenen Weg geht, alles verprasst und mit leeren Händen zurück kommt. Und der Vater nimmt ihn barmherzig auf, als wäre nichts gewesen. Oder das Gleichnis vom verlorenen Schaf, das der gute Hirte unter Einsatz des eigenen Lebens sucht statt sich um die braven im Stall zu kümmern; der unter die Räuber gefallene Wanderer, den ein vorbeikommender Samaritaner versorgt und auf eigene Kosten pflegen lässt; die Einwohner der Stadt Ninive, denen der Prophet Jona Gottes Gericht ankündigt, um dann anzusehen, wie sie umkehren und Gott ihnen gnädig begegnet statt sie zu bestrafen.

Gott ist barmherzig, das ist ja auch sein Job. Und wir, wir freuen uns, dass Gott uns gnädig begegnet, dass er uns annimmt, dass wir seine Kinder sein dürfen. Freie Gnade, ohne Gegenleistung! Das wissen wir. Als seine Kinder leben wir dauerhaft aus seiner Barmherzigkeit.
Und dieser Text fordert uns heraus, dass wir irgendwann auch selber in seine Fußstapfen treten dürfen. Selber das leben, was wir den Vater tun sehen. Selber barmherzig sein. Anderen gegenüber, die es genauso wenig verdient haben, wie wir.

Jona konnte das nicht und war sauer auf Gott. Und der ältere Bruder des verlorenen Sohnes konnte sich nicht über die Heimkehr freuen, konnte selbst nicht barmherzig reagieren, sondern forderte ein gerechtes Urteil. Aber Gott ist lieber barmherzig als gerecht. Und er verpflichtet uns nicht, aber er fordert uns durchaus heraus. "Liebet sogar eure Feinde" heißt es im Kontext der Jahreslosung. Er meint es also schon ernst mit der Barmherzigkeit.

Wenn ich an Abschiebungen zur Weihnachtszeit denke oder an Flüchtlinge in Lagern an den Außengrenzen der EU, dann vermisse ich so eine Haltung. Barmherzig sein wäre gut. Ach, wenn doch die Regierungschefs die Jahreslosung lesen würden!
Vielleicht schicken wir ja unseren gewählten Vertretern in Erfurt, Magdeburg, Berlin und Brüssel eine nette Grußkarte mit einem ernstgemeinten Segensgebet als Bestärkung und der Jahreslosung als Bitte für aktuelle Flüchtlingspolitik. Wir könnten einen Unterschied machen. Barmherzig sein und doch unsere Meinung sagen!

Übrigens: Dreimal hat im vergangenen Jahr der Bischofskonvent der EKM an die Politik appelliert. Vielleicht wird der Ruf nach Barmherzigkeit ja 2021 erhöhrt ...

Welche Erfahrungen habt ihr/ haben Sie mit der Jahreslosung gemacht?
Kommentare gerne per Email oder direkt bei Facebook.


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