16.11.2022
Predigt zum Buß- und Bettag 2022 zur Eröffnung der Landessynode am 16.11.2022 von Regionalbischof Tobias Schüfer

[treffen sich zwei Unbeliebte]

Buß- und Bettag, wer will dich schon feiern?
Angeordnet vom König, angesichts von Not und Gefahr
wird die Bevölkerung aufgerufen zu Buße und Gebet.
Drei Anläufe braucht es, um dich zu installieren:
1853, 1878, 1893, um die vielen Bußtage
endlich deutschlandweit zu bündeln in dir.
Und dann braucht es auch wieder drei Anläufe,
um dich zu kassieren: gestrichen während des Krieges,
dann 1967 in der DDR und 1995 dann
fast gesamtdeutsch kassiert.
Und ob die Sachsen dich wirklich mögen?

Offenbarung, wer will dich schon hören?
Wie ein ungeliebter Wanderpokal wurde der heutige Predigttext
in der Vergangenheit durch das Kirchenjahr gereicht.
Im 19. Jahrhundert noch am 5. Sonntag nach Trinitatis
landete er bis 1978 auf den zweiten Advent,
um später dann am dritten Advent zu stören.
Damals stöhnten die PredigerInnen:
Das passt nicht zum Advent,
eher zum Buß- und Bettag.
Der Ruf wurde erhört:
Voilá, da ist er!

[Der Predigttext – Offenbarung 3,1-6]

1 Und dem Engel der Gemeinde in Sardes schreibe:
Das sagt, der die sieben Geister Gottes hat und die sieben Sterne:
Ich kenne deine Werke:
Du hast den Namen, dass du lebst, und bist tot.
2 Werde wach und stärke das andre, das schon sterben wollte,
denn ich habe deine Werke nicht als vollkommen befunden
vor meinem Gott.
3 So denke nun daran, wie du empfangen und gehört hast,
und halte es fest und tue Buße!
Wenn du nicht wachen wirst, werde ich kommen wie ein Dieb,
und du wirst nicht wissen,
zu welcher Stunde ich über dich kommen werde.
4 Aber du hast einige in Sardes,
die ihre Kleider nicht besudelt haben;
die werden mit mir einhergehen in weißen Kleidern,
denn sie sind’s wert.
5 Wer überwindet, soll mit weißen Kleidern angetan werden,
und ich werde seinen Namen nicht austilgen
aus dem Buch des Lebens,
und ich will seinen Namen bekennen
vor meinem Vater und vor seinen Engeln.
6 Wer Ohren hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt!

[Betrachtungen zum Bibelwort]

Geschrieben wird dem Engel.
die Offenbarung nennt die „Engel der Gemeinde“,
und wir überlegen, wer gemeint ist,
Die eine Vorstellung: himmlische Wesen, Boten Gottes,
die andere Deutung: Engel der Gemeinde meint Boten,
irdische Menschen, Gemeindeglieder, Anhänger Gottes.
Die interessanteste Deutung immer noch
die Mischung aus beidem,
die Durchdringung beider Vorstellungen,
da begegnen uns himmlische Engel, Boten Gottes
durch irdische Menschen.
Wer auf den Himmel mit seinen Sternen
und Gottes Handeln blickt,
wird Engel, Gesandte Gottes wahrnehmen.
Wer umgekehrt Boten Gottes auf Erden sieht,
kann menschliche Engel erkennen.
Beide Deutungen haben ihr Recht und verbinden sich,
so wird das Bild deutlicher und bleibt zugleich in der Schwebe.
Versteht ihr das, Gemeindeengel?

Ob wir nun mehr oder weniger über Sardes wissen, trägt nichts zum Verstehen bei.
Vielleicht nur so viel: Verkehrsknotenpunkt, am Mittellauf des Hermos, Hauptstadt des lydischen Reiches, vor kurzem von einem schweren Erdbeben getroffen und stark zerstört, inzwischen Dank großzügiger staatlicher Hilfen vieles wieder aufgebaut, neue Gymnasien, neue Thermalbäder.
Von alldem steht nichts im Text,
es geht um das innere Leben der Gemeinde,
und wir merken: es geht nicht um Sardes,
uns soll es wachrütteln, uns.

So spricht Christus, der den Gemeindeengel in die Pflicht nimmt:
Erinnert an dessen Würde als hoher Stern
und an die Geister vor Gottes Thron, die sein Tun wahrnehmen,
denen nichts entgeht!

Spricht den Engel an, der „einen Namen hat“, angesehen ist, der wie lebendig ist,
das klingt alles nett und beschaulich, und wird doch nur erzählt, um den Paukenschlag um so deutlicher zu hören: „Du lebst nur dem Namen nach. Du bist tot!“
Noch einmal: Am Resultat deines Handelns gemessen bist du tot.

Worin das Versagen konkret besteht, bleibt offen.
Im zweiten Vers immerhin etwas angedeutet,  
auch wenn Luther unscharf übersetzt,
„habe deine Werke nicht als vollkommen befunden“,
um Vollkommenheit geht’s hier nicht, eher darum,
Dinge auch zu Ende zu bringen,
„denn ich habe deine Werke nicht als erfüllt befunden“,
offensichtlich wurde da manches angefangen,
angedacht und dann nicht zu Ende geführt.

Wer Ohren hat zu hören, die höre:
Handeln muss nicht nur beginnen,
es muss verwirklicht werden, ans Ziel kommen!

Dann wird der Engel wachgerüttelt!
Du sollst stärken, was darnieder liegt.
Und dich – Himmel nochmal –
daran erinnern, wie du deine Würde empfangen hast.
Würde und Verpflichtung,
Später werden sie Zuspruch dazu sagen.
Und Anspruch.

Also: Wach auf! Bewahre das Empfangene,
halte es fest und kehre um, tue Buße!
Wenn dir das nicht gelingt, kommt Christus wie der Dieb in der Nacht.
Erst auf den zweiten Blick wird verständlich:
Das Bild weitet die Möglichkeiten:
Rechnet nicht nur am Ende der Zeit
mit seinem Kommen als endzeitliche Richter.
Jetzt schon ist Christus im Aufbruch, er kommt.
Kann auch schon kommen vor dem Ende aller Zeiten,
innerhalb der Weltzeit kommt er. Rechnet mit ihm.

Bei aller Klarstellung bleibt das Schreiben doch seelsorglich.
Der Engel und die Gemeinde haben einen Namen,
haben - bei aller kritischen Klarheit –
Ansehen bei Gott und sind bei Christus.
 Zugegeben: Es sind wenige sind es. Aber die sind da.

Wir wandeln in weißen Gewändern, mit Christus in die Zukunft.
Das ist das Gegenbild zum täglichen Misslingen unseres Tuns.
Leben  sollt ihr, leben mit Christus.

[Was da zu hören ist…]

Wer Ohren hat zu hören, höre! Ich höre: „Du hast den Namen, dass du lebst und bist doch tot.“ Kann man schlimmeres über eine Gemeinde sagen? Das ist Todesrhetorik, so, wie wir manchmal von wenn von „sterbenden Gemeinden“ sprechen. Doch irgendwie hat das auch was, hier wird Klartext gesprochen! Und ich sehne mich danach, dass auch wir uns trauen, auch schwierige Dinge so klar zu benennen.

Wer Ohren hat zu hören, höre! Was hören die anderen? Die die Schwachen hören es mit großen Ohren, wie zur Gemeinde gesagt wird: „Werde wach und stärke das andere.“ So werden sie es also machen, diese Christen, nicht, dass sich immer nur die Fröhlichen mit den Fröhlichen zurückziehen, die Starken mit den Starken koalieren. Uns, die Schwachen nehmen sie in den Blick. Und nehmen uns nicht nur in den Blick, sondern greifen uns unter die Arme, nehmen uns in ihre Gebete auf und überlegen, wie sie uns bestärken können.

Wer Ohren hat zu hören, höre. Die Ohren der letzten Generation sind jung und hören noch besser als wir: „Bewahre das Empfangene!“, hören sie und hören es als Gegenwort zur unaufhaltsamen Zerstörung der Schöpfung, hören auch: Hier wird Buße gefordert, und Umkehr. Und Umkehr ist möglich. Und manchmal fragen sie sich, ob wir was an den Ohren haben.

Wer Ohren hat zu hören, höre. Nicht wenige haben gehört: „Wach auf! Bewahre das Empfangene.“ Und sie hören damit verbunden: „Macht deutlich, nach innen wie nach außen, wie ihr biblisch und theologisch gründet, was ihr tut, was ihr fordert, wie ihr entscheidet.“

Wer Ohren hat zu hören, höre. Einige Synodale hören die Kritik, dass so vieles anfangen wurde. Und so wenig bis zu Ende gedacht, zu wenig wirklich zu Ende geführt. Sie hören es als Kontrollfrage für sich: Wieviel fangen wir an, was davon bringen wir zu Ende?

Wer Ohren hat zu hören, die höre! Gemeinsam hören wir: Christus lässt seine Gemeinde nicht gegen die Wand fahren, wir hören den seelsorgerlichen Grundton für angeblich sterbende Gemeinden, für eine schon hundertmal totgesagte Kirche. „Wach auf“! hören wir. Leben  sollt ihr. Wach leben.

Amen.


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