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24.02.2022
Auswendig oder im Herzen

„Das lernt ihr bitte auswendig.“
Mit diesem Satz macht sich kein Lehrer und keine Pfarrerin beliebt.
Keine Lust, kann ich sowieso nicht – wir kennen diese Antworten.

Ich werde nie die alte Nachtschwester vergessen.
Jedes Fest konnte sie mühelos garnieren mit Balladen.
Sie konnte die alle auswendig.
30 Jahre war sie Nachtschwester, immer allein.

Um zwischen drei und fünf Uhr nicht einzuschlafen, hat sie Gedichte gelernt.
Auch die meisten Psalmen aus der Bibel kannte sie auswendig.
Ihr hat das im Alter oft geholfen.

Auch als eine leichte Demenz kam, die Gedichte waren da.
Oder der völlig demente 75-jährige Mann, schon fünf Jahre im Heim.
Er sprach nicht mehr. Bekam nichts mit.

Goldene Hochzeit wollte sie feiern, die Ehefrau: fit und klar.
Gottesdienst im Heim mit Abendmahl.
Und Einsegnung nach dem Abendmahl.

Ich hatte großen Respekt davor.
Wie sollte das gehen?
Der Mann saß völlig zusammengesackt neben seiner Frau.

Als ich die Abendmahlsworte anfange, setzt der Mann sich kerzengerade hin.
Spricht klar und deutlich die Worte mit, auch das Vaterunser noch.
Der Frau laufen Freudentränen über die Wangen.

Zum Abendmahl selbst saß er wieder zusammengesunken in seiner Welt.
Hinterher sagte die Ehefrau: „Das war das schönste Geschenk für mich.
Er hat es mitbekommen und was ihm wichtig war, mitgemacht.“
Er war jahrelang im Kirchenvorstand in seinem Dorf gewesen.
Er hatte diese kostbaren Worte eben nicht nur mit dem Kopf auswendig gelernt, sondern er hatte sie in seinem Herzen.

Das wünsche ich allen, Worte im Herzen die mir durch nichts genommen werden können.
Pfarrerin Renate Höppner aus Magdeburg


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