25.01.2025
Frankierte Erinnerungen
Ein ganzer Stapel in einer kleinen Tüte gut aufbewahrt. Trotz ihres Alters leuchten sie immer noch in bunten Farben. Die Tinte ist manchmal schon etwas ausgeblichen, genau wie die Poststempel auf den Marken.
Es sind die Postkarten eines ganzen Lebens. Die Postkarten eines Weltreisenden, und seine Art, den Lieben zu Hause zu zeigen: Ich lebe noch.
Inzwischen ist der Weltreisende verstorben. Die Karten bleiben. Seine Kinder haben sie gefunden und auf den Tisch gelegt, an dem wir sitzen. „Was ist ihnen wichtig gewesen mit ihrem Vater“, hatte ich sie gefragt. Da haben sie die herausgeholt. Sie zeugen von einem Leben voller Erlebnisse. „Ja, er hat die Welt gesehen.“ Sagen sie. Und ich sehe die vielen Postkarten von allen Enden dieser Erde. Da ist etwas, das bleibt. Ein Stapel Erinnerungen.
Ich werde ganz wehmütig.
Habe ich schon genug gesehen von dieser Welt? Nein! Habe ich genug Erinnerungen gesammelt? Nein. Ich will noch viel mehr. Was bleibt von mir auf dem Tisch meiner Lieben beim Trauergespräch mit dem Pfarrer? Sicher ist da ganz viel, auch wenn es nicht so greifbar ist, wie es Postkarten sind. Und mich beruhigt die Vorstellung, dass Gott bestimmt keine Postkarten braucht, um all das zu erinnern, was mich ausmacht. Bei ihm bemisst sich der Wert des Lebens nicht in frankierten und gestempelten Erinnerungen. Und trotzdem nehme ich mir vor, ab sofort mehr zu reisen. Und dann auch Postkarten zu schreiben.
Reiselustige Grüße und ein schönes Wochenende wünscht Martin Olejnicki, Pfarrer aus Köthen.