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23.06.2019
Hintertüren

„Was für ein Vertrauen!“ heißt es auf dem Dortmunder Kirchentag, der heute zu Ende geht.

„Was für ein Vertrauen!“ schießt es mir durch den Kopf als ich im Reiseführer lese: Die Hintertüren vieler Hiddenseer Häuser seien meist nicht verschlossen. Viele Insulaner würden das bis heute so halten.

„Ist das nicht leichtsinnig?“ wo die Welt doch so schlecht ist.

Andererseits nervt es, jedesmal erst den Schlüssel rauszufummeln. Und wenn man mal seinen Schlüssel verliert, dann kommt man hinten rum immer noch rein. Es ist also ziemlich praktisch, einen Schlupfweg offen zu lassen.

Es könnte vielleicht sein, dass Oma Emma mal über die ganze Insel von Kloster bis nach Neuendorf zu ihrer Freundin läuft. Das sind selbst auf diesem kleinen Eiland etliche Kilometer.

Aber oh Schreck: Keiner zuhause! Doch Oma Emma kann einfach zur Hintertür rein. Dann schreibt sie einen Zettel und legt ihn zusammen mit dem Glas selbstgemachter Sanddornmarmelade auf den Küchentisch. Sie weiß, wenn ihre Freundin heimkehrt, freut die sich. So einfach ist das, wenn Hintertüren offen sind.

Wenn es mir nicht gut geht, kann jemand nach mir schauen.

Wenn meine Hintertür offen ist, kann jeder Unterschlupf finden, der in den Sturm gerät. Es ist ja nicht immer nur gutes Wetter – weder auf Hiddensee, noch in meinem Alltag.

Auf dem Türbalken mancher Fachwerkhäuser steht:
„Gott segne dieses Haus, und alle die gehen ein und aus!“ Manchmal geht es nicht auf direktem Weg. Darum wünsche ich uns immer eine offene Hintertür. Das ist besser, als in einer geschlossenen Gesellschaft zu leben, wo man sich gegen jeden und gegen alles abschottet. Wo man keinen kennt und keinem vertraut.

 

Peter Herrfurth, Landesjugendpfarrer in Magdeburg


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