„Wo eigentlich liegt Bethlehem, der Ort, wo Jesus geboren ist?“ fragt die kleine Nele ihre Mutter. Doch die hat keine Zeit, ihr richtig darauf zu antworten. Sie muss die Wohnung saubermachen, kochen, die Fenster putzen, backen, einkaufen.

„Kann man da hingehen – nach Bethlehem?“ bohrt Nele weiter.

„Freilich“, sagt die Mutter, einfach quer über die Straße – und nun weißt du es.“

Das Mädchen macht sich auf den Weg – in einer Geschichte, die Rudolf Otto Wiemer erzählt. Und, es kann nicht anders sein: Nele landet im wirklichen Leben. Sie begegnet einer einsamen Frau, einem kranken Mädchen, einem Mann auf der Jagd nach Geschenken, einer Zeitungsverkäuferin mit Sensationen, aber vom Christkind ist nicht die Rede.

Es ist keine Idylle. Wie auch das Bethlehem der Weihnachtsgeschichte keine Idylle war. Sondern ein überlaufener Ort. Wo sich nur ein Stall am Rande findet für einen Reisenden mit seiner schwangeren Frau. Und Leute, die mit allem beschäftigt sind, aber nicht damit, sich auf ein Wunder vorzubereiten.

Als Nele nach Hause kommt, erzählt sie ihrer Mutter von den Menschen, die sie getroffen hat. Ja, Bethlehem liegt tatsächlich auf der anderen Straßenseite.

Ob sich hier, mitten unter uns Weihnachten ereignen wird? Ich will schauen, ob da Menschen sind, die meine Hilfe brauchen, und lauschen, ob ich schon die Engelchöre höre.

Nimmt sich vor Hans-Jürgen Kant von der Evangelischen Kirche in Halle