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30.12.2021
Zorn schafft Raum

Manchmal könnte ich einfach nur zuhauen und laut werden.

Jesus kannte das auch. In der Bibel wird erzählt, wie er sich über die Händler im Tempel ärgert: „Das kann doch nicht wahr sein. Die haben aus meinem Bethaus ein Kaufhaus gemacht!“

„Jesus“, so könnte man versuchen, ihn zu beschwichtigen. „Die Pilger können die Opfertiere doch nicht von zu Hause mitbringen. Und dass Geldwechsler die Münzen aus aller Herren Länder tauschen, erleichtert den Handel. Und auch die Tempelsteuer lässt sich so leichter bezahlen.“

„Aber das muss doch nicht hier sein“, beharrt Jesus. Er nimmt eine Peitsche, stürmt auf die Händler zu und wirft ihre Tische um. Es ist eine Stunde des Zorns.

Manchmal bin auch ich wütend. Wenn ich spüre, dass Menschen nicht aufrichtig sind. Oder wenn ich merke: Der andere beharrt stur auf seinem Standpunkt und bewegt sich nicht einen Millimeter, so eindringlich ich auch mit ihm rede. Dann spüre ich meine Ohnmacht und manchmal kann es sein, dass ich immer lauter werde. Im schlimmsten Fall schreie ich ihn an und meine ganze Wut kommt heraus. Das schafft Raum, um durchzuatmen, die Stimme zu senken und das Gespräch neu anzufangen.

Zorn ist gesund. Auch bei dem meist so sanften Jesus gehört er dazu. Die Geschichten darüber machen mir Mut, ehrlich zu sein gegenüber meinen eigenen Gefühlen und auch im Miteinander mit dem anderen.

Meint Hans-Jürgen Kant, Superintendent in Halle.


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