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29.06.2023
Himmel wird blau sein

Sie sitzt zusammengesunken auf dem Stuhl neben mir. Die Haare sind grau geworden. Es ist schon eine Weile her, dass ich sie das letzte Mal gesehen habe. Dreimal Corona – sie ist schwerst angeschlagen, ihre Lunge bleibt wohl krank. Nun steht eine noch schlimmere Diagnose im Raum. Das Leben ist so ungerecht! Und das ihr – der starken Frau, die für so viele ein Fels in der Brandung war. Eine tapfere Kämpferin für Menschen mit Behinderung. Sie hat es geschafft, einen Draht zu dem Jungen mit Autismus aufzubauen. Andere hatten ihn aufgegeben, ihn mit Medikamenten ruhiggestellt. Sie hat mit viel Liebe und Einfühlungsvermögen herausbekommen, was jeweils dran ist. Hat Himmel und Volk in Bewegung gesetzt, damit der Junge gefördert wird. Immer am Wochenende hat sie ihn in ihre Familie geholt. Und für die vielen anderen im Heim – sie war eine fröhliche Stütze. Und nun kann Christina nicht mehr. Sie hat nur noch drei Jahre bis zum Ruhestand, aber ihre Kraft reicht einfach nicht.

„Alt werden und krank sein – das ist wie Pest mit Krätze,“ sagt sie, und da kullern die Tränen. „Der da oben hat echt nicht mehr alle Tassen im Schrank,“ sagt sie, und hebt kurz die Augen zum Himmel. Sie sei nicht bereit, sich lebendig begraben zu lassen.

Christina – Hallo – atme erst einmal durch. Keiner begräbt dich! Und du dich bitte auch nicht.

Jetzt ist erst einmal deine Gesundheit dran. Und Vorruhestand ist nicht das Schlechteste, weil du dann frei bist, zu tun, was du magst. Du bist so eine engagierte Frau, dir wird doch nicht langweilig. Ein Schritt nach dem anderen. Der da oben ist gerade hinter der Wolke. Ich würde mit dir gerne in ein Flugzeug steigen und abheben. Einmal durch die Wolke durch. Der Himmel wird blau sein.

Ulrike Greim, Weimar


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