14.09.2018
Aufrecht hoffen

Er ist ein kantiger Typ. Viel zu große Brille. Fleischerhemd und Haare zum Zopf gebunden. Schlaksig und unbequem kommt er daher. Kein Held. Er ist Hundebudenbesitzer. So heißen die Baggerfahrer im Braunkohletagebau in der Lausitz. Maschinist für Tagebaugroßgeräte hieß das früher. Er hat sich immer mit allen angelegt. Hat sich die Hände schmutzig gemacht und manchmal nicht nur die Hände. Ja, er war bei der Stasi. Hat andere verpfiffen und ist später selbst zum Opfer geworden. Da haben sie ihn rausgeschmissen aus der Partei. Aber er, er wollte sein Parteibuch nicht abgeben. Hat an die gute Sache geglaubt. Bis zuletzt.

Jetzt scheiden sich an ihm die Geister. Gerhard Gundermann. Baggerfahrer und Liedermacher aus der Lausitz. Mit der Gitarre auf dem Bagger. Das ist einer, der legt seine Wunden offen. Der redet über seine Fehler. Und will sich doch nicht entschuldigen. Er sagt: „Ich kann mich nicht selbst ent-schuldigen. Ich kann nur auf Verzeihung hoffen.“ Auf Verzeihung hoffen, das ist für ihn so etwas wie das täglich Brot. Er lebt mit offenem Visier. Gundermann singt: „Von jedem Tag will ich was haben, was ich nicht vergesse. Ein Lachen, ein Sieg, eine Träne, ein Schlag in die Fresse.“ Drastische Worte für ein drastisches Leben. Das Leben nehmen, wie es kommt und aufrecht bleiben. Und hin und wieder auf Verzeihung hoffen.

Eine gute Nacht und ein schönes Wochenende wünscht Ihnen Pfarrer Ramón Seliger, evangelisch aus Weimar.


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