06.02.2024
Brief zu Opas Geburtstag

Lieber Opa. Brief zu Deinem Geburtstag. 98 Jahre alt wärst Du vor Kurzem geworden, da will ich Dir etwas sagen, was ich leider verpasst habe, als noch die Zeit dafür war. Danke, dass Du uns Kindern das Leben lustig gemacht hast. Wo die anderen nur wollten, dass wir uns „richtig benehmen“, war doch die Regel „setz dich ordentlich hin, Ellbogen runter“, bei Dir richtig schön zu befolgen, weil Deine Gabel sich anschlich, um so viele Enkel-Ellenbogen auf der Tischplatte zu erwischen wie möglich. Oma verteilte morgens Aufgaben an uns Ferienkinder und Du hast heimlich die leere Schale von Deinem Frühstücksei im Becher umgedreht und sie als neues Ei nochmal angeboten. Wenn einer drauf reinfiel und das leere Ei aufklopfen wollte, gab’s großes Gelächter. Danke, dass Du danach gesucht hast, wo es etwas zu lachen gibt. Obwohl das Leben Dich böse getroffen hat. Als junger Mann hast Du im Krieg Deinen rechten Arm verloren und konntest – mit kaum 20 wieder zu Hause – kein Handwerker mehr werden. Trotzdem hast Du fast alles gemacht: Mopedfahren, Schuhebinden, sogar Kartoffelnschälen – dabei im Sitzen die Schüssel zwischen die Knie geklemmt und darüber mit einer extra gebauten Vorrichtung jede Kartoffel zum Drehen aufgespießt. Und was hast Du erst uns Kindern alles gezimmert: Kaufladen, Kleiderschrank, Hasenstall. Danke, Opa, Du hast mich glauben gelehrt, dass es auch dort Wege gibt, wo man gar keine sieht. So vertraue ich Gott. Von dem singen wir immer wieder: Er wird auch Wege finden, da dein Fuß gehen kann.

Schlafen Sie ruhig, wünscht Ihnen Milina Reichardt-Hahn, Pfarrerin in Fambach


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