29.06.2020
Dumme Fragen sind auch okay

Es gibt keine dummen Fragen. Das haben viele schon in der Schule so gehört. Es klingt freundlich, als könnte einem nichts passieren. Das stimmt aber nicht. Worte erschaffen Wirklichkeit und dieser Satz verspricht etwas, was er nicht hält.
Angenommen ein Schüler im Unterricht meldet sich: „Kann ich mal eine dumme Frage stellen?“ Und der Lehrer sagt: „Es gibt keine dummen Fragen.“ Dann macht der Satz zuerst Mut. Was mitschwingt, ist: „Trau dich ruhig, du kannst alles fragen; nur keine Sorge, du blamierst dich nicht.“ Von dem Lehrer ist das wunderbar, mit der Realität hat es aber nur wenig zu tun. Denn natürlich kann sich der Schüler blamieren. Wenn seine Klassenkameraden meinen: „Das hätte der doch wissen müssen“, werden sie mit den Augen rollen, sich Blicke zuwerfen oder gleich lauthals über ihn lachen. Mehr geholfen hätte darum ein Satz wie: „Dumme Fragen sind auch okay.“ Den Mitschülern hätte das den Wind aus den Segeln genommen. Und so eine Haltung würde einem auch als Erwachsene noch helfen – wenn man mal wieder knietief ins Fettnäpfchen getreten ist. Statt sich für manches Monate später noch zu schämen, könnte man auf die Art vielleicht entspannter mit sich selber umgehen. Mehr wie Annett Louisan, die singt: „Ganz, ganz tief in den Nesseln steht mein Lieblingssessel ... komm, wir geh’n Fettnäpfchenwetthüpfen.“ Kann ich zu mir stehen, auch wenn ich Fehler mache? Gott tut es.
Schlafen Sie gut, wünscht Milina Reichardt-Hahn, evangelisch und Pfarrerin in Fambach.


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