13.07.2018
Flügel wachsen

Jedem Flugzeug schaut er lange hinterher. Und bekommt Fernweh. Jedes Mal.

Sobald er eines hört, legt er den Kopf in den Nacken und sucht den Himmel ab. Vielleicht ist es ein Flieger Richtung Süden. Irgendwo ans Meer. Er möchte mit. Dort am Strand sitzen, in einem Café einen Wein trinken. Mit den Leuten plaudern. Sehen, wie die Fischerboote reinkommen und die Netze aufräumen.

Er kann sofort anfangen zu träumen.

Er ist so gerne unterwegs. Im Rollstuhl durchaus ein Problem. In seinen Träumen kann er laufen. Und surfen. Ist braungebrannt und muskulös. Ein Weltenbummler.

So möchte er das können: Rucksack packen und los. Last minute. Am Flughafen zwei Tickets buchen. Für seine ebenfalls gutaussehende Freundin, die er dann natürlich haben würde.

Hinaus in die Welt. Fremde Länder entdecken, fremde Sprachen sprechen, fremde Menschen kennenlernen und schätzen. Viel Sonne abbekommen, Sand schmecken.

In seinem Herzen ist er Weltreisender.

Wenn du mir schon keine starken Beine gegeben hast, Gott, dann gib mir wenigstens Flügel, betet er.

Verreisen mit Rollstuhl? Das geht, sagt die Frau im Reisebüro. Sie ist jung und gutaussehend.

Sie habe von einem Neuseeländer gelesen, der das gemacht hat. Der sei einfach losgefahren. Habe sich wacker geschlagen.

Knistert da was? Wachsen Flügel?

Dabei glaub er gar nicht an Gott.

Aber steckt mal die Broschüre zum Thema „Mit Rollstuhl reisen“ in die Tasche.

Für alle Fälle.

Träumen sie schön. Wünscht ihnen Ulrike Greim, Weimar, Evangelische Kirche.


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