05.10.2020
Frau B.

Als Kind war Agnes mit dem Flüchtlingstreck von Stettin nach Thüringen gekommen. Dort angekommen, war alles Chaos. Die Heimat weit weg, die Häuser kaputt. Agnes hat sich aufgerappelt, hat die Schule fertig gemacht, ist Lehrerin geworden. Hat Kinder erzogen, eins nach dem andere. Alle aus dem Dorf sind durch ihre Hände gegangen.

Jetzt sitzt sie oft da mit ihren 93 Jahren und fragt sich: Kommt da noch was!? Gibt es noch einen Halt in der Welt? Wohin geht der letzte Treck?

Ihre Kinder sind weit weg, die eigenen, auch die fremden. Agnes´ Kräfte lassen nach. Sie spürt, dass ihr Ende kommt. Es fühlt sich an wie damals im Flüchtlingstreck und wieder ist keiner da, der fragt, ob du das willst, was da kommt? Und sie fragt sich, was dann passiert? Verschwindet man einfach, gibt es irgendeinen Halt?

Eine Frage, so dunkelblau wie der Himmel. Schon diese Frage zu stellen, kostet Kraft. Kommt nach dem Tod noch was? Gibt es irgendeinen Halt? Was hat das nun alles gebracht?

Ich glaube, da kommt noch was. Ich glaube da kommt einer, dem ich ins Gesicht schauen kann und dass ich dann alles verstehen kann: Heimat, Stettin und Flucht, mein Leben und dein Warum.

Ich weiß nicht, wie dieses Danach aussehen wird; ob es dort Häuser gibt, wo man wohnen kann. Aber ich glaube an ein Leben, das größer ist; ein Leben, das alles umfängt.

Eine gute Nacht wünscht Ihnen Kristin Jahn, Superintendentin im Kirchenkreis Altenburger Land.


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