25.04.2023
Frau Grassprung und ihre Stärke

Frau Grassprung hat mit dem Glauben – so sagt sie‘s – nichts am Hut. Aber in meinen Augen verkörpert sie ihn. Sie lebt, finde ich, einen wichtigen Satz aus der Bibel: Einer achte den anderen höher als sich selbst. Neulich wollte ich ihr und einigen anderen ein Dokument für den Gottesdienst schicken. Die E-Mail ging raus, den Anhang hatte ich vergessen. Passiert manchmal. Manche schreiben dann zurück: Anhang Fragezeichen. Oder: Anhang fehlt Ausrufezeichen. Oder: Anhang fehlt WIEDER in Großbuchstaben. Aber Frau Grassprung hat einfach meine Fragen in der E-Mail beantwortet und geschrieben: „Den Anhang hatte ich jetzt nicht entdeckt, aber Sie wollen ja dann das Dokument mitbringen.“ Spätabends habe ich das gelesen, als ich den Computer noch angemacht habe nach einem langen Arbeitstag. Da waren die Worte von Frau Grassprung wie eine Streicheleinheit. Sie hat die Sache auf sich genommen, „den Anhang hatte ich jetzt nicht entdeckt…“, was natürlich Quatsch war. Denn der Fehler lag bei mir. Aber Frau Grassprung achtet den anderen höher als sich selbst – auch dann noch, wenn der etwas falsch macht. Wo die meisten von uns wohl eher denken: Man muss doch auf Fehler hinweisen. Ist ja auch so: Wenn etwas schiefläuft, ist es allermeist besser, das anzusprechen. Nur – Frau Grassprung zeigt dabei nicht mit dem Finger auf einen. So wichtig nimmt sie sich nicht. Aber so macht sie es dem anderen viel leichter, bei Kleinigkeiten über sich selbst zu lachen und etwa zu schreiben: „Danke für Ihre Antwort, jetzt nochmal mit Anhang… .“

Gute Nacht, sagt Milina Reichardt-Hahn, evangelisch und Pfarrerin in Fambach


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