03.03.2023
Gewiss
Die Türen stehen weit offen.
Der Blick fällt hinaus ins Grüne.
Alles ist friedlich.
Es ist ein Ort der Ruhe.
Samstagvormittag im Hospiz.
Gerhard besucht wie jeden Tag seine Frau.
55 Jahre sind sie gemeinsam durchs Leben gegangen.
Ihre Liebe hat drei Kindern das Leben geschenkt.
Inzwischen sind es fünf Enkelkinder geworden.
Das letzte haben sie gerade im letzten Jahr begrüßen dürfen.
Das war kurz vor der Diagnose.
Darmkrebs. Weit fortgeschritten. Kaum Hoffnung.
Dann ging alles sehr schnell.
Immer mehr Behandlungen und immer weniger Leben.
Gerhard musste mit ansehen,
wie sich seine Frau veränderte. Schritt für Schritt.
Aber ihre Liebe hat sie bis hierher getragen.
Und ist Tag für Tag noch ein bisschen größer geworden.
Deswegen tut es ja so sehr weh.
Gerhard besucht sie Tag für Tag.
Sie blättern in den alten Fotoalben.
Da fällt ihr die alte Konfirmationsurkunde in die Hände.
Gemeinsam lesen sie ihren Konfirmationsspruch:
„Ich bin gewiss,
dass weder Tod noch Leben,
weder Engel noch Mächte noch Gewalten,
weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges,
weder Hohes noch Tiefes noch irgendeine andere Kreatur uns scheiden kann von der Liebe Gottes,
die in Christus Jesus ist,
unserem Herrn.“
Gerhard nimmt jetzt die Hand seiner Frau.
Sie schauen hinaus ins Grüne.
Die Türen stehen weit offen.
Eine gute Nacht wünscht Pfarrer Ramón Seliger, evangelisch und aus Weimar.