03.01.2020
Gleiches Schicksal

In Bad Salzungen halten wir ein paarmal im Jahr Trauerfeiern, für Menschen, die keine Angehörigen haben. Die Friedhofsverwalterin hat das initiiert, Mitarbeiter vom Bauhof helfen. Ein paar Leute kommen immer dazu: Schulfreunde oder Nachbarn der Verstorbenen, entfernte Verwandte oder Mitarbeiterinnen von Pflegeeinrichtungen.

Seit sieben Jahren machen wir das; doch die letzte Trauerfeier ging mir besonders nah. Diesmal wurden zwei Verstorbene in Familiengräbern beerdigt. Das heißt: In beiden Fällen waren Angehörige da, aber die Familiensituation kompliziert.

 

Es stürmte und schneite; zum zweiten Friedhof mussten wir fahren. Trotzdem – und das berührte mich so – ging die Trauergesellschaft überallhin mit. Darunter die Stieftochter einer Verstorbenen, die sich von allen zurückzog, weil sie sich schämte, sich zu zeigen. Und der Bruder eines Mannes, der sich das Leben genommen hatte.

Diese Hinterbliebenen kannten sich nicht und hätten sonst wohl wenig miteinander zu tun gehabt. Aber in dem Moment teilten sie ihr Schicksal. Beide standen an einem offenen Grab mit offenen Fragen, vielleicht wie: Was ist schief gelaufen in diesem Leben? Warum war meine Stiefmutter, mein Bruder nicht glücklicher? Was wird mal aus mir selbst?

Rainer Maria Rilke sagt: Wir alle fallen, diese Hand da fällt. Und doch ist einer, welcher dieses Fallen unendlich sanft in seinen Händen hält.

Dass Sie das tröstet, für diese Nacht und jeden Tag des neuen Jahres, wünscht Milina Reichardt-Hahn, evangelisch und aus Fambach.


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