26.11.2018
Heimat im Herzen

Die Alte legt ihre Hände in den Schoß. Erinnerungen steigen in ihr hoch. Wie sie damals nach dem Krieg raus mussten aus Ostpreußen. Viel Zeit hatten sie nicht. Über Nacht mussten sie die Heimat verlassen, das bisschen Hab und Gut zusammensuchen. Was würden sie brauchen für das neue Leben an einem fremden Ort?

Der weite Weg nach Westen war beschwerlich. Ungewiss die Zukunft, auf die sie da zuliefen. Die Kinder waren klein und groß waren die Sorgen.

Als sie dann endlich in sicheren Regionen ankamen, wurde sie von Ort zu Ort herumgereicht. Alles war fremd. Keiner wollte sie haben. Die Vorbehalte gegenüber denen aus dem Osten waren mit Händen zu greifen: Andere Sprache, andere Kultur, andere Religion. Waren das eigentlich richtige Deutsche? Und warum sind die hier? So fragte man damals. Und so hört die Alte das heute noch immer. Auch nach über 60 Jahren ist sie manchmal noch immer nicht richtig zu Hause. Der Verlust der Heimat wiegt schwer. Zu schwer an manchen Tagen. Dann kann sie nachts nicht schlafen. Sie liegt wach. Manchmal schlägt sie dann das kleine Buch mit den täglichen Bibelworten auf. Heute liest sie darin: „Gott, der HERR behütet die Fremdlinge und erhält die Waisen und Witwen:“ Und sie spürt, wie ihr der Glaube Heimat gegeben hat in all den Jahren und noch immer gibt.

Eine Heimat hier, eine Heimat da. Keiner flieht freiwillig. Jeder sucht den Ort, an dem er geborgen ist. Gott, schenke mir so einen Ort.

Eine gute Nacht wünscht Pfarrer Ramón Seliger, evangelisch aus Weimar.


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