08.05.2016
Hoffnungsklang

Seit ein paar Wochen geht er gern mal nach der Arbeit hierher in die Kirche. Sein Büro ist ja gleich um die Ecke. Und abends ist hier nicht viel los. Dann ist es herrlich still.

Anders still als zu Hause. Zu Hause tut die Stille weh. Und klingt nach Schmerz, nach Verlust, nach Einsamkeit. Die Stille zu Hause klingt nach der Trauer um den Vater, der nicht mehr lebt. Die Stille zu Hause klingt nach der Sehnsucht nach Bettina. Bettina ist gegangen, als das Pflegebett für den Vater ins Wohnzimmer gestellt wurde.
Zu Hause tut die Stille weh.

Aber hier – hier klingt die Stille nach Hoffnung. Nach Geborgenheit. So, als ob etwas heilen kann.

Er schaut sich um: Woran das wohl liegt? An der tollen Architektur? An den himmelaufwärtsstrebenden Pfeilern? An den leuchtenden Buntglasfenstern?

Oder liegt der besondere Klang der Stille an den vielen Gebeten? An den vielen kleinen handbeschriebenen Zetteln, die Lob und Bitten in Richtung Himmel singen, flüstern, seufzen?

Oder liegt es doch vor allem an dem Mann am Kreuz? Der noch als Toter zu lächeln scheint. Als ob er mehr sehen könnte, als wir jetzt sehen können. Etwas jenseits aller Verluste und aller Schmerzen? Schwingt dieses Lächeln in der Stille mit?

Er weiß es nicht. Er weiß nur, dass diese Stille ihm gut tut. Weil sie alles das in seine Ohren, in sein Herz sagt, was er braucht.

Eine ruhige Nacht wünscht Ihnen
Ihre Angela Fuhrmann,
Pfarrerin von der Ev. Kirche in Gotha


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