19.04.2024
Hören - am besten mit allen vier Ohren

Ich bin ganz Ohr, hat neulich jemand gesagt, als ich ihm was erzählen wollte. Schön, wenn jemand so für einen da ist, ohne sich ablenken zu lassen vom Telefon oder von seinem Kind. Aber wenn ich mir bildlich vorstelle, dass mir gegenüber nur noch ein riesiges Ohr sitzt, frage ich mich: Fehlt da nicht noch was für ein gutes Gespräch? Toni Zenz, ein Bildhauer, der vor zehn Jahren gestorben ist, hat das in einer Skulptur so dargestellt: ein Mensch geformt wie ein Zylinder. Ausgeprägt nur der riesige Kopf obendrauf mit weit offenen Augen, die schauen zum Himmel. Mit den Händen fasst sich der Mensch links und rechts hinter die Ohren. Die Ellenbogen gehen dabei über der Brust zusammen. Wie ein Trichter zum Herzen sieht das aus. Und tatsächlich: Dort haben wir nochmal zwei Ohren. Am Herzvorhof gibt es Ausstülpungen, die heißen so: Herzohren. Die Skulptur und ihre etwas unbequeme Haltung erinnern mich also daran, dass das, was ich höre, tiefer in mich hinfällt. Zu oft bleibt das Hören alleine im Kopf. Dort denke ich schon weiter, überlege, was ich gleich noch erzählen will von ähnlichen Dingen, die ich selber erlebt habe, und höre höchstens noch mit halbem Ohr hin. So wird aus dem Gespräch bloß eine Aneinanderreihung von Gedanken; es ist kein wirklicher Austausch, bei dem auch mal völlig neue Ideen entstehen können. „Wer Ohren hat zu hören, der höre!“, sagt die Bibel. Am besten also auch mit den Herzohren.

Wer Ohren hat zu hören, der höre, empfiehlt Milina Reichardt-Hahn, Pfarrerin in Fambach


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