07.10.2020
Jammern

Herr F. ist allein, schon seit 10 Jahren. Akademiker, ein Haus, ein Hund. Ein Kunstliebhaber vor dem Herrn. Herr F. lebt allein auf dem Lande.

Er sucht Anschluss, aber er findet keinen. Seit er seine Frau verloren hat, zieht sich jeder Tag dahin wie Kaugummi. Abends sitzt er in seinem Sessel, die Einsamkeit treibt ihn um.

Warum gerade ich, fragt er, warum muss ich so einsam sein? Ich habe es doch wirklich versucht?! Anschluss finden, Kontakt etc. Das sagt er zwar,

aber wenn man Herrn F. durch die Stadt gehen sieht, grüßt er meistens nicht. Er sucht Anschluss, aber er schaut keinen an, geschweige denn einer Frau hinterher. Er schaut andächtig in die Auslagen der Schaufenster. Versinkt in Gemälden einer Ausstellung, aber er dreht sich nie nach einem Menschen um.

Manchmal würde ich Herrn F. am liebsten an den Schultern packen und kräftig mit ihm schimpfen:

Lieber Herr F. – Ja, deine große Liebe ist tot, aber du, du lebst noch! Du hast ein Haus, du könntest jeden Tag 10 Gäste zum Abendbrot einladen. Aber du machst es nicht. Du bist gut zu Fuß. Du kannst dir sogar noch deine Fußnägel selber schneiden – aber tanzen gehen oder in die Sauna, das machst du nicht.

Ich glaube, dass man sich in Einsamkeit auch einbalsamieren kann, aber ich finde, jammern darf man dann nicht.

Willst du gesund werden? Dann geh raus! Geh tanzen, mach Dein Spiel.

Eine selige Nacht wünscht Kristin Jahn, Superintendentin im Kirchenkreis Altenburger Land


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