30.03.2017
Jesus reloaded
Seine großen Augen schauen mich an,
die Haare wirken verstrubbelt und umrahmen sein Gesicht.
Mehr ist kaum von ihm zu sehen.
Diese großen Augen. Weit aufgerissen, immer wieder muss ich hineinschauen.
Ich stehe vor diesem Bild in der Ausstellung.
Es ist ein Christus- Kopf, der mich so anschaut.
Kein schöner Anblick.
Aber ich kann mich seinem Blick kaum entziehen, und es dauert länger, bis ich merke, dass es gar nicht Haare sind, die das Gesicht umgeben, sondern ein wirres Geflecht aus Stacheln.
Christus mit der Dornenkrone.
Odilon Redon hat ihn gemalt, vor gut 100 Jahren.
Diese großen Augen! Schaut mich Redon da persönlich an? Er, der Epileptiker, der immer wieder Schwer-Kranke, der als Soldat in den Deutsch-Französischen Krieg zieht, der dann seine Familie kaum ernähren kann, der später seinen kleinen Sohn begraben muss.
Diese großen Augen – Christus mit der Dornenkrone.
Was für ein Kontrast zu unserer Zeit mit ihren Hochglanzgesichtern, Schönheits-Idealen und Machbarkeits-Versprechungen.
Wir befinden uns mitten in der Passionszeit, da passt dieses Bild besonders gut.
Am meisten überrascht mich, dass Redon gar kein überzeugter Christ ist. Er glaubt nicht an Gott. Aber dieser Christus – der treibt ihn um. Dass da ein Gott menschlich wird mit Haut und Haaren. Der kennt sich aus mit dem, was wehtut, den Dornen und den Schmerzen und dem Sterben. Er leidet mit.
Da verschmilzt das Selbstporträts Redons mit dem Gesicht vom Christus.
So nahe kann Gott sein.
Pastorin Elisabeth Wedding aus Jena.