05.03.2024
Kirchen-Herzschmerz und -Bauchschmerz

Wir treffen uns hin und wieder in der Stadt. Ich erkenne ihn schon von weitem an seinem würdevollen Gang. Und an der gepflegten Erscheinung. Ich mag es, wenn ältere Menschen sich schön anziehen.

Wir wechseln immer mal ein paar freundliche Worte.

Als ich ihn diesmal treffe, macht er ein ernstes Gesicht und kommt sofort zur Sache:

Ich weiß gar nicht, ob Sie das wissen – ich bin schon vor vielen Jahren aus der Kirche ausgetreten. Aber meinen Glauben – den habe ich behalten. Es muss da noch was geben...

Er schaut mich erwartungsvoll an. Ich mache, was ich oft mache in solchen Situationen: Ich lächle. Und nicke verständnisvoll. Aber innen drin gibt es mir doch jedes Mal einen kleinen Stich.

Ich hätte jetzt fragen können, warum er damals ausgetreten ist. Aber ich tue es nicht. Weil – mir fallen die aktuellen Meldungen über sexualisierte Gewalt auch in der evangelischen Kirche ein. Wie hässlich! Wie beschämend! Ich kann es gut nachvollziehen, dass Leute deshalb austreten. Auch sonst – Kirche ist leider nicht immer glaubwürdig.

Und trotzdem liebe ich meine Kirche. Seit meiner Kindheit.

Die Geschichten... die Lieder... die kleine sächsische Dorfkirche, neben der ich aufgewachsen bin... der Naumburger Dom – meine Wohlfühl-Kirche überhaupt...

Das alles gibt mir das Gefühl von Geborgenheit.

Und was würde nicht alles fehlen ohne Christliche KiTas, Schulen und Krankenhäuser? Und ohne meine Kirchengemeinde, die sowas ist wie eine große Familie, trotz allem...?

Ich weiß, das kann ich in so einem Moment nicht alles sagen. Bei einem Kaffee schon eher. So bleibe ich zurückhaltend. Mit anderen zusammen hoffe ich, dass es da noch wen oder was gibt – das trägt mich durchs Leben.

Eine gute Nacht

wünscht Angela Fuhrmann, ev. Pfarrerin in Gotha


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