02.03.2023
Müde bin ich, geh zur Ruh

Die Besuche bei der Großmutter in der Kindheit waren immer etwas Besonderes.
Raus aufs Land.
Eintauchen in eine andere Welt.
Dazu gehörte auch,
dass die Großmutter abends vorm Einschlafen jeden Tag die Hände faltete.
Das Gebet auf der Bettkante ist mir in Erinnerung geblieben.

Das starke Gottvertrauen dieser Frau.
Zwei Weltkriege hatte sie erlebt.
Der Ehemann vermisst.
Später wurde ihre Tochter aus dem Leben gerissen.
Aber Abend für Abend faltete sie die Hände und sprach die gleichen Worte:
Müde bin ich geh zur Ruh,
schließe meine Augen zu.

Zugegeben: manches habe ich als kleiner Junge ich damals nicht gut verstanden.
Auch war das Beten für mich ungewohnt.
Aber es lag ein Zauber über diesem Moment am Abend.
Über dem Falten der Hände.
Dem kurzen Moment Ruhe.
Das gemeinsame Gebet mit der Großmutter
ist mir bald ans Herz gewachsen.
Es liegt eine Kraft in diesen Worten.

Heute bete ich dieses Gebet mit meinen Kindern:
Müde bin ich, geh zur Ruh
Schließe beide Augen zu.
Vater lass die Augen dein
Über meinem Bette sein.

Alle, die mir sind verwandt,
Gott, lass ruhn in deiner Hand.
Alle Menschen groß und klein,
Sollen dir befohlen sein.

Kranken Herzen sende Ruh,
nasse Augen schließe zu,
Herr im Himmel, halte Wacht,
schenk uns eine gute Nacht.

Betet Pfarrer Ramón Seliger, evangelisch und aus Weimar.


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