01.03.2016
Nicht ganz gescheit!

Herzlichen Glückwunsch!
Sie schnuppert an der Rose, die ich ihr entgegenstrecke. Sie duftet nicht. Jedenfalls nicht so, wie damals ihr Rosenbusch. Rosen aus Kenia! Sie schüttelt den Kopf: Sind die Leute nicht mehr ganz gescheit?

Wie wird man gescheit, mit dem Alter? Dann muss sie gescheit sein, denn sie ist 90. Sieht mit offenen Augen ins Leben. Und erinnert sich noch gut an ihre Kindheit…

Wie das früher war, wenn sie Geburtstag hatte. Da wurde nicht so viel Theater gemacht wie heute! Die Mutter hat einen Topfkuchen gebacken. Und sie bekam einen Asparagus-Kranz ins Haar.

Sie erzählt von der Wiese hinter dem Haus. Mit Brennnesseln und Löwenzahn. Und vom Gänsehüten mit der Freundin. Immer gab es etwas zu erzählen. Manchmal haben sie dabei die Gänse vergessen. Dann gab es Ärger.

Sie erzählt vom Milchmann aus dem Nachbardorf. Jeden Morgen kam er mit dem Pferdewagen. Die Leute standen mit Milchkannen in den Haustüren.

Gleich um die Ecke beim Bäcker haben sie Brot gekauft. Keine Brötchen, nein! Und Kuchen gab es nur sonntags.

Abgepacktes gab es in keinem Geschäft. Wenn sie das heute sieht: Alles doppelt und dreifach verpackt! Warum? Wenn trotzdem so viel Essen weggeworfen wird?
Sind die Leute nicht mehr ganz gescheit?

Ich nehme ihre Fragen mit nach Hause. Und in mein Abendgebet:
Ach Gott! Bring uns zur Vernunft, wo wir nicht ganz gescheit sind. Amen.

Nun aber: Gute Nacht! Vielleicht sind wir morgen gescheiter?
Das wünscht Ihre Angela Fuhrmann,
Pfarrerin von der Ev. Kirche in Gotha


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