18.04.2017
Schritte im Leben

An diesem Tag war sie zum ersten Mal wieder spazieren. Lange Wochen hatte sie nur gesessen. Oder im Bett gelegen. Hatte ein Tag dem anderen geglichen.

An diesem Morgen hatte sie sich überwunden. Hatte sich die bequemen Schuhe angezogen und war losgegangen. In den nahe gelegenen Park. Hatte gespürt, dass die Füße den Boden berührten. Dass ihre Beine sie trugen. Dass sie wieder Lust hatte, sich zu bewegen. Sie freute sich.

Und sah sich um. Überall war das Grün durchgebrochen. Die Bäume hatten ausgeschlagen. Die Knospen waren aufgesprungen. Welche Kraft. Offenbar bahnte sich das Leben seinen Weg, unaufhaltsam.

Sie traf andere Spaziergänger. Mancher grüßte. Sie grüßte zurück. „Vom Eise befreit“ waren nicht nur „Strom und Bäche“, sie selber fühlte sich so. Als wäre das Eis, die Kälte, die sich über ihre Seele gelegt hatte, nun geschmolzen. „Durch des Frühlings holden, belebenden Blick?“ Da war sie sich nicht sicher. Ob das nur der Frühling war, der sie so ansteckte und mitzog? Oder nicht doch eine viel persönlichere Macht. Eine, die sie meint. Die leise, beharrlich, unaufhaltsam ist. Die sie ansteckt mit Lebenskraft. Die Menschen ins Leben ruft.

Zwei Stunden war sie draußen gewesen. Als sie später am Telefon einem Freund von ihrem Spaziergang erzählte, kam es ihr über die Lippen. „Ich habe das Gefühl, ich lebe wieder. Gott sei Dank.“

Eine gute Nacht wünscht Ihnen Pastorin Theresa Rinecker aus Weimar


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