08.02.2024
Sprung über den Abgrund

Mich faszinieren Abgründe. Orte, an denen ich irgendwo oben stehe und ‘runterschauen kann – an meinen Fußspitzen vorbei in die Tiefe. Das lässt mich schaudern, aber es zieht mich gleichzeitig an. Und wenn auf der anderen Seite des Abgrunds auch eine Ebene ist, spüre ich den Drang drüberzuspringen. So wie Ronja, die Räubertochter. Erfunden hat sie die Schriftstellerin Astrid Lindgren; vor vierzig Jahren wurde die Geschichte verfilmt. Man sieht, wie Ronja und Birk – das ist der Junge, der auf der anderen Seite der Schlucht wohnt – den Abgrund zwischen sich überspringen. Obwohl sie sich erst gar nicht mögen. Weil ihre Familien verfeindet sind, seit der Blitz eingeschlagen hat in die Burg, auf der sie wohnen. Der hatte das uralte Gemäuer in zwei Teile geteilt. In der Mitte nur noch die Schlucht, wo die Kinder sich eines Tages gegenüberstehen. Erst ist der Sprung nur eine Mutprobe, um dem anderen zu beweisen, dass man was besser kann. Aber mit der Zeit freunden die beiden sich an, bestehen Abenteuer im Mattiswald und bringen am Ende die Familien zusammen. Wieder mit zwei Sprüngen über die Schlucht. Auch einen jahrelangen, tiefen Zwist kann man überspringen, lerne ich daraus. Mut braucht es schon. Und Anlauf und Schwung – wenn man einmal in der Luft ist, darf man nicht zögern. Aber es kann etwas Gutes draus werden, man kommt im Leben nochmal auf eine andere Ebene. Wer es miteinander versucht, sagt die Bibel, hat guten Lohn für die Mühe.

Schlafen Sie gut und wenn es irgendwann so weit ist, dass Sie einen Abgrund überspringen könnten, nehmen Sie Anlauf und los!

Milina Reichardt-Hahn, Pfarrerin in Fambach


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