02.04.2019
Vergeben kinderleicht

Wenn ich in der Stadt unterwegs bin, habe ich es oft eilig. Und wenn ich es eilig habe, bin ich auch oft mit meinen Beurteilungen ziemlich schnell.

Es war einer dieser vollgepackten Tage. Ich war in der Stadt unterwegs. Ich hatte es eilig. Ein paar Meter vor mir lief ein junger Mann mit seinen beiden Töchtern, vielleicht fünf und acht Jahre alt. Weit genug, damit ich ihrem Gespräch nicht folgen konnte. Aber nicht weit genug, um von dem Zigaretten-Qualm verschont zu bleiben, den der junge Mann hinter sich herzog.

Das passt ja toll, dachte ich nur, kleine Kinder und rauchen! Wer weiß, was da zu Hause abgeht! Welchem Dunst die Mädels ausgeliefert sind, und überhaupt…! Rabenvater!

Inzwischen war ich dichter herangekommen.

Da lief das jüngere Kind plötzlich vor die große Schwester und umschlang sie in Bauchnabelhöhe mit beiden Armen. Und während sie den Kopf an ihren Bauch schmiegte, sagte sie: Entschuldige bitte!

Im Vorbei-Gehen hörte ich noch den kurzen Kommentar vom Papa: Na bitte, geht doch!

Ich war überrascht: Der Rabenvater hat auch gute Seiten! Er bringt seinen Kindern bei, um Vergebung zu bitten, das ist doch klasse!

Ich war überrascht und auch beschämt: Wie schnell ich manchmal zur Richterin werde!

Und dann habe ich mein hartes Urteil umgewandelt. In die stille Hoffnung, dass er es schaffen wird, mit dem Rauchen aufzuhören. Schon wegen seiner Mädels. 

 

Eine gute Nacht mit gutem Gewissen

wünscht Angela Fuhrmann, Ev. Pfarrerin in Gotha

 


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