10.04.2017
Verschmerzen

„Ich liebe dich nicht mehr“, sagte er zu ihr. „Es ist alles weg.“ Dann stand er im Café auf, küsste sie auf die Stirn und ging. Einfach so. Wortlos. Nach fünf Jahren. Was zurückblieb, war ein einziger Schmerz. Nur noch dieser eine, allumfassende Schmerz, der ihr das Herz einschnürte. Die Zeit blieb stehen. Sie saß da, minutenlang, stundenlang. „Du musst aufstehen“, dachte sie. Und erhob sich mechanisch und ging nach Hause.
„Du musst aufstehen.“ Dieser Satz begleitete sie fortan. Wochenlang. Monatelang. „Du musst unter Leute, dich ablenken“, sagte ihre Freundin. Sie lenkte sich ab, aber der Schmerz blieb. „Die Zeit heilt alle Wunden“, sagte ihre Schwester. Sie dachte sich Rituale aus, aber der Schmerz blieb.
Dazu kam die Ungeduld. Wann hört das endlich auf? Sie lernte, dass die Trauer Zeit braucht. Und Raum. Verschmerzen bedeutet nicht vergessen oder den Schmerz mit aller Macht unterdrücken. Es bedeutet erst einmal, die Risse in der eigenen Seele zuzulassen. Und zu akzeptieren, dass sie nur langsam heilen. Dass Narben bleiben. Verschmerzen bedeutet, anzuerkennen, dass diese Narben ein Teil von ihr waren und sie zu ihr gehörten.
Ich bin heil – auch mit meinen Narben. Erst wenn ich das begreifen kann, kann ich Frieden schließen. Erst dann kann ich loslassen. Und mich versöhnen. Mit dem Leben und mit mir selbst.
Versöhnende Gedanken und eine gute Nacht wünscht Ihnen Pfarrerin Dorothee Land von der evangelischen Kirche aus Erfurt.


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