28.01.2019
Vertragt euch!

„Vertragt euch!“, das hat Elfriede ihren Kindern immer gesagt. Ich sitze zum Trauergespräch in der Küche des alten Bauernhauses. Die Kinder erzählen mir von der Mutter, die in hohem Alter verstorben ist. Sie erzählen und weinen und lachen und fallen sich ins Wort und trösten sich gegenseitig. Ich sehe, dass sie die Mahnung der Mutter beherzigen. 

Elfriede war in dem Haus gestorben, in dem sie auch zur Welt gekommen war. Ihr Leben hatte sie in dem kleinen Dorf im Thüringer Wald verbracht. Der Vater war im Krieg geblieben, vermisst. Als Tochter hatte sie dieses Leid miterlebt. Wie der Großvater jahrelang auf seinen Sohn wartete. Wie die Mutter für zwei arbeiten musste. 

Welches Elend der Krieg auslöste, das hatte Elfriede gelernt. Und es später ihren Kindern erzählt und den Enkeln. Sie selbst hatte hart gearbeitet. Sie hatte die Tiere betreut auf den Weiden der steilen Berghänge rund ums Dorf. 

Elfriede hat sich Respekt verschafft. Sie hat ihre Meinung immer gesagt und Konflikte nicht gescheut. Aber dann doch wieder erinnert und gemahnt: Vertragt euch.

Später sehe ich, wie sie alle an ihrem Grab stehen: Weinend und stolz zugleich. 

Ich bin beeindruckt von der Familie. „Vertragt euch!“ Das nehme ich mit und denke heute Abend an Elfriedes Weg und an meinen eigenen an diesem Tag. „Lasst die Sonne nicht über eurem Zorn untergehen“, mahnt die Bibel. Eine friedliche Nacht wünscht ihnen Pastorin Katarina Schubert von der evangelischen Kirche in Kamsdorf.


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