28.12.2021
Wer ich auch bin

Manchmal verliere ich mich, erzählt Regine. Dann bin ich innerlich nicht mehr bei mir, sondern denke nur darüber nach, was andere über mich sagen.

Regine hat das schon als Kind gemacht. So sehr, dass sie einmal dachte, sie sieht sich selbst von außen. Im Kindergarten war das, den Raum hat sie noch genau vor sich, die Stofftiere in der Ecke, den Legoplatz vorm Fenster. Sie lief zum Tisch in der Mitte und ist furchtbar erschrocken: Da stand ein Mädchen am Tisch, mit dem Rücken zu ihr, genau ihre Größe. Es hatte so lange Haare wie sie, die gleiche Farbe, zerzaust wie bei ihr. O Gott, dachte Regine, bin das vielleicht ich? Sie musste Luft holen. Und dachte: Was, wenn das Mädchen ab jetzt ich ist? Bin ich dann überhaupt noch da? Sehen mich die anderen?

Regine wollte weglaufen. Zwang sich aber weiterzugehen, im großen Bogen um den Tisch. Schritt für Schritt, dabei beobachtete sie das Mädchen aus den Augenwinkeln. Als Regine sie von vorne anschauen konnte, fffh, da war sie erleichtert.

Im Gesicht sah das Mädchen anders aus. Also war sie auch jemand anders, sagt Regine. Und dass ihr seitdem eigentlich klar ist: Ich bin da in der Welt. Ich bin ich. Meine Außenseite gehört genauso zu mir wie das, was ich denke und spüre.

Bin ich das, was andere von mir sagen?, fragt der Theologe Dietrich Bonhoeffer. Oder bin ich nur das, was ich selbst von mir weiß? Und er antwortet gleich: Wer ich auch bin, Du kennst mich, Dein bin ich, o Gott!

Geruhsame Nacht wünscht Ihnen Milina Reichardt-Hahn, evangelisch und Pfarrerin in Fambach.


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