20.06.2019
Ralf-Uwe Beck | Grenzland | Collegium Maius-Abend |

Erfurt Weltflüchtlingstag | 20. Juni 2019

Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinen Nationen, der UNHCR, veröffentlicht zum Weltflüchtlingstag in jedem Jahr, die neueste Statistik: Danach sind derzeit 70,8 Mio Menschen auf der Flucht. 41,3 Mio sind innerhalb ihres Landes unterwegs, 25,9 Mio sind vor militärischen Konflikten, Verfolgung, Menschenrechtsverletzungen aus ihrem Land geflohen, 3,5 Mio Menschen sind Asylsuchende. Nie waren seit dem Ende des 2. Weltkrieges mehr Menschen auf der Flucht als derzeit. Jeden Tag verlassen 45.000 Menschen irgendwo auf dieser Erde ihre Heimat. Mehr als die Hälfte sind Kinder.

Tendenz: steigend.

Vielen machen diese Zahlen Angst, das Wort Flüchtling löst Abwehrreaktionen aus: „Wir sind nicht das Sozialamt der Welt. Wir können nicht alle aufnehmen.“

Es wollen auch nicht alle zu uns kommen. 85 % der Flüchtenden suchen Zuflucht im Nachbarland, in Entwicklungsländern. Die Zahl der Menschen, die es bis hierher schaffen, ist deutlich gesunken, die Zahl der Asylanträge seit 2015 auf ein Fünftel zurückgegangen.

Die Politik feiert das als ihren Erfolg. Mit der Fixierung auf die Zahlen schiebt die Politik zugleich das Schicksal der Menschen aus den Augen, aus dem Sinn. Bundesinnenminister Seehofer hat es als Geschenk empfunden, dass gerade an seinem 69. Geburtstag „69 Personen nach Afghanistan zurückgeführt worden“ sind. Ach wie lustig. Einer von ihnen hat sich nach der Ankunft in Kabul das Leben genommen. Der bayerische Ministerpräsident Söder sprach vor einem Jahr von „Asyltouristen“.

Die Diffamierung von Flüchtlingen ist der Mörtel, mit dem die Festung Europa gebaut wird. Anrühren lässt sich dieser Mörtel am besten, wenn wir uns von dem Schicksal der Menschen nicht mehr anrühren lassen.

Wir sortieren Menschen in Not als Wirtschaftsflüchtlinge an die Seite: Die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen. „Ja, eine Gesellschaft darf aufteilen zwischen legaler und illegaler Flucht. Dennoch muss gelten: Was rechtlich illegal ist, kann dennoch menschlich legitim sein.“ (Bernd Ulrich, ZEIT, 19.7.2018).

In dem Roman „Odysseus aus Bagdad“ von Eric-Emmanuel Schmitt unterhalten sich zwei Flüchtlinge. Der eine meint, er will, damit er Asyl bekommt, bei der Wahrheit bleiben, die würde völlig ausreichen. Darauf der andere: „Die … interessieren sich nicht für einen, wenn man bloß erzählt, dass man vor der Armut geflohen ist, dass man einen Job finden und seiner Familie Geld schicken will, damit sie überlebt. Die brauchen mehr Action, politische Skandale, Massaker, Völkermord … Wenn man nur sagt, dass man vor Hunger oder Hoffnungslosigkeit verreckt, dann reicht das nicht. Der Tod mit seiner Sense, Hungersnot, Unsicherheit, keine Zukunft, das überzeugt sie nicht!“

Indem wir Flüchtlinge als „Wirtschaftsflüchtlinge“ stigmatisieren, halten wir sie uns auf Abstand: Dein Schicksal geht mich nichts an. Du willst von meinem Kuchen etwas abhaben? Abgelehnt, kriech zurück in dein Loch.

Im 19. Jahrhundert sind 73.300 Thüringerinnen und Thüringer in die USA ausgewandert, aus ganz Deutschland waren es 5,5 Millionen. Sie sind vor dem Hunger und dem Elend geflohen. Es waren Wirtschaftsflüchtlinge.

In einer Talkshow habe ich den ungarischen Botschafter in Deutschland sagen hören: Es gibt kein Menschenrecht auf ein besseres Leben. Doch, es ist ein universelles Menschenrecht, sein Land zu verlassen. Es gibt das Recht auf eine soziale Gesellschaft, auf Bildung, auf Gesundheitsversorgung, auf Arbeit und Lohn.

Jeder Mensch, der seine Kinder hungern sieht, hat das Recht, dies der ganzen Welt zum Problem zu machen. Weil es ein Problem dieser Welt ist, nur sehr selten von dem Menschen selbst verursacht, der seine Heimat verlässt.

Oxfam veröffentlicht jedes Jahr, wie es um die Ungleichheit unter der Weltfamilie bestellt ist: Die 42 reichsten Milliardäre haben so viel Vermögen wie die 3,7 Milliarden Menschen der ärmeren Hälfte zusammen. Tendenz: steigend. Die Reichen werden reicher, die Armen ärmer.

Stephen Hawking hat kurz vor seinem Tod einen Weckruf in die Welt geschickt: Diese Ungleichheit würde niemandem über kurz oder lang verborgen bleiben. Südlich der Sahara verfügen mehr Menschen über ein Smartphone als über Zugang zu sauberem Wasser. „Von Hoffnung auf ein besseres Leben getrieben“ schreibt er, „strömt die arme Landbevölkerung in die Städte. Und wenn die Menschen dann erkennen, dass das auf Instagram zu sehende Paradies in den dortigen Elendsvierteln nicht zu finden ist, wollen sie es jenseits des Meeres finden. … Wenn wir uns die letzte Chance bewahren wollen, bleibt den führenden Entscheidungsträgern dieser Welt nichts anderes übrig, als anzuerkennen, dass sie versagt und die Mehrheit der Menschen im Stich gelassen haben. Die Ressourcen konzentrieren sich immer mehr in den Händen weniger, weshalb wir lernen müssen, weit mehr als bisher zu teilen.“

Flüchtlinge sind Boten des Unheils und der Ungerechtigkeit.

Gehen wir den Weg der Flüchtlinge bis dorthin zurück, woher sie aufgebrochen sind. Wir werden mit großer Wahrscheinlichkeit auch bei uns selbst ankommen.

Für das T-Shirt, das wir für 4,99 kaufen können, wird ausgeblendet, dass die Näherin in Bangladesh zwölf Stunden schuften muss, nicht aufs Cloo darf und wenn es brennt, ihr Leben riskiert oder es verliert. Bei Foxconn, einer chinesischen Firma, die im Auftrag von Apple arbeitet, sind in den Fabrikinnenhöfen Netze aufgespannt worden, weil sich zehn der Mitarbeiter – alle unter 30 – in den Tod gestürzt haben. Dort werden 72-Stunden die Woche gearbeitet. Diese Arbeitsbedingungen gelten in Asien noch als moderat. Wen juckts, das I-Phone ist geil.

Ghana hatte den Tomatenanbau forciert und – damit mehr Wertschöpfung im Land passiert – auch Fabriken für die Tomatenverarbeitung gebaut. Es lief gut. Aber die EU-Agrarsubventionen verzerren die Wettbewerbsbedingungen. Tomaten aus Sizilien sind preiswerter, die aus Ghana haben keine Chance mehr. Das Ergebnis: In Ghana stehen die Fabriken still, die Tomatenfelder liegen brach. Und die ghanaischen Tomatenbauern arbeiten und leben unter widrigsten Bedingungen in Sizilien.

Unsere Gerechtigkeit ist ein schmutziges Kleid, heißt es im Buch des Propheten Jesaja.

Wir haben damit zu tun. Unsere Politiker reisen nach Afrika, um dort über die Bekämpfung der Fluchtursachen zu sprechen. Dabei sind wir selbst Fluchtursache.

Die Filialen der Konzerne, die unter dreckigen Bedingungen saubere Wäsche nähen lassen, stehen in unseren Städten. Wir kaufen dort billige Klamotten. Wir gehören zu dem Europa, das Ghana durch die Agrarsubventionen, von denen wir leben, seine Entwicklungschancen nimmt. Diese Agrarsubventionen machen den größten Posten im EU-Haushalt aus. Die EU hat mit 16 Ländern in Afrika, der Karibik und dem Pazifik Verträge abgeschlossen, dass in Territorialgewässern unbegrenzt gefischt werden darf. Diesen Fischfang subventioniert die EU mit einer Milliarde Euro jährlich.

Die Hungerberichte, vorgelegt zum Beispiel von Brot für die Welt weisen die Kleinbauern und Fischer auf der Südhalbkugel als die aus, die zuerst und um meisten unter Hunger leiden. Unsere Gerechtigkeit ist ein schmutziges Kleid.

Wir exportieren Rüstungsgüter – nicht zu knapp und zunehmend. Damit heizen wir Konflikte mit an. Deutschland hat seit Beginn des Jahres Rüstung für mehr als eine Milliarde Euro in Länder exportiert, die am Jemenkrieg beteiligt sind, der eine humanitäre Katastrophe ausgelöst hat. Der Westen hat die Opposition gegen Assad hochgerüstet und diplomatische Wege ausgeschlagen: 500.000 Tote, 12 Millionen Menschen auf der Flucht. Das US-Militär plant seine Drohneneinsätze von Rammstein aus. Da werden schon mal Zivilisten mit Terroristen verwechselt. Wir sind beteiligt daran, dass der Hass geschürt wird, die Spirale der Gewalt weitergedreht wird, an deren Ende Menschen um ihr Leben laufen.

IWF und Weltbank sind nach westlichem Muster gestrickte Institutionen, die Kredite an Entwicklungsländer vergeben – verbunden mit Auflagen: Verlangt werden Strukturanpassungsprogramme. In Malawi verlangten IWF und USA die Subventionen für Saatgut auf ein Drittel der Bauern zu reduzieren. Die anderen mussten nun teuer einkaufen. Die Folge: eine Hungersnot (Georg Auernheimer, 147; s. auch Conrad Schuhler, 33). Diese Politik geht auf Kosten der Armen. Verlangt wird oft die Privatisierung öffentlicher Versorgung. Dann kostet das Wasser und ein Konzern verdient. Wirtschaftsförderung. Die geht auf Kosten der Armen. Hier werden Fluchtursachen programmiert, statt sie zu bekämpfen.

Papst Franziskus hat es auf den kürzesten Punkt gebracht: „Diese Wirtschaft tötet.“

Unsere Gerechtigkeit ist ein schmutziges Kleid.

Alles, was wir derzeit als Fluchtursachen ausmachen, die soziale Ungleichheit, die Armut, der Hunger, Krisen und militärische Konflikte, die Angriffe auf Leib und Leben, die Perspektivlosigkeit … all das wird sich mit dem Klimawandel verschärfen.

1995 zur Rio-Nachfolgekonferenz in Berlin haben die kleinen Inselstaaten im Pazifik eine Pressekonferenz gegeben. Sie haben aufmerksam machen wollen auf die Folgen der Erderwärmung. Es sind Völker, von denen manche nur 1,20 über dem Meeresspiegel leben. Ihr Tenor damals: „Ändert sich nichts, werden wir irgendwann mit nassen Füßen in euren Wohnzimmern stehen.“

Ursula Rakova lebt auf den Tuluninseln im Pazifik. Sie ist beauftragt, für die Völker dieser Inseln eine neue Heimat zu finden – irgendwo auf dem Festland. 2040 werden die Inseln nicht mehr bewohnbar, sie werden überflutet sein.

Die Hälfte der Menschheit lebt an Flussmündungen und Meeresufern. Der steigende Meeresspiegel versalzt das Ackerland, macht Trinkwasserreservoire unbrauchbar, überflutet das Land. Es wird die Armen härter treffen als die Menschen in den reichen Ländern. Die Niederlande wird weiter Dämme bauen, aber von der Fläche Bangladeshs werden zwei Drittel verloren gehen. Den Menschen wir nichts bleiben, als sich auf den Weg zu machen.

Die ersten Klimaflüchtlinge sind die, um die sich Ursula Rakova kümmert. 2040 werden es weltweit mindestens 200 Millionen sein. Und das ist erst der Anfang. Wir werden den Kampf, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, wie es sich die Weltfamilie in Paris versprochen hat, verlieren. Auf uns kommt ein Alltag zu, den wir uns noch nicht einmal vorstellen können. Für Menschen in anderen Regionen der Erde ist dies bereits Realität.

Wir gehören zu den zehn Prozent der Weltbevölkerung, die mindestens 50 % der Treibhausgasemissionen verursachen. Verträglich wären 2,3 Tonnen CO2 pro Kopf eines jeden Erdenbürgers. Der CO2-Ausstoß in Deutschland liegt ungebrochen bei zehn Tonnen.

Die Währung für das politische Versagen der Verursacherländer sind eine Verknappung der Ressourcen, des Wassers, des Ackerlandes, der Nahrungsmittel. Stürme, Dürren und Überschwemmungen nehmen zu, Krankheiten, Hunger und Elend.

Gemeinsam mit Klaus Töpfer und Angelika Zahrnt habe ich vor zweieinhalb Jahren einen Aufruf formuliert, mit dem wir die Einrichtung einer Enquete-Kommission Fluchtursachen beim Deutschen Bundestag fordern. Es war uns unerträglich, dass die deutsche Politik als Erfolg feiert, dass die Zahl der Flüchtlinge, die es bis hierher schaffen, so drastisch wieder gesunken ist und die Flüchtlinge ihre Personalität verlieren.

Wir haben 150 Bundesverdienstkreuzträgerinnen und -träger hinter der Forderung versammelt, eine Enquete-Kommission einzurichten, die untersucht, inwieweit wir selbst Fluchtursache sind – ehrlich, ernsthaft und konsequent. Die Kommission soll Gegenmaßnahmen vorschlagen, die Weichen stellen für eine andere Politik.

Wir haben es mit unserer Forderung bis in den Koalitionsvertrag geschafft.

Da steht tatsächlich:

„Wir wollen Fluchtursachen bekämpfen, nicht die Flüchtlinge.

Dazu wollen wir

die Entwicklungszusammenarbeit verbessern

den Ausbau humanitären Engagements

eine faire Handels- und Landwirtschaftspolitik (faire Handelsabkommen)

einen verstärkten Klimaschutz

eine restriktive Rüstungsexportpolitik.

Wir werden eine Kommission ‚Fluchtursachen’ im Deutschen Bundestag einrichten, die der Bundesregierung und dem Bundestag konkrete Vorschläge unterbreiten soll.“

Es wird keine Enquete-Kommission geben. Auch keine Kommission beim Bundestag. Angedacht ist eine Kommission beim BMZ. Da ist sie gewiss in guten Händen. Die Vorschläge von CSU-Minister Müller beispielsweise zum Klimaschutz sind mitunter radikaler als die der SPD-Umweltministerin. Aber ob die Kommission eines Ministeriums tatsächlich so viel Kraft entwickeln kann, dass unser Staat endlich einen gesetzlichen Rahmen schafft und so Fluchtursachen bekämpft werden?

Während es versäumt wird, den Fluchtursachen auf den wirklichen Grund zu gehen, sinken Flüchtlinge auf den Grund des Mittelmeeres. Europa schottet sich ab.

Wir feiern 30 Jahre friedliche Revolution und Mauerfall. 1989 gab es weltweit 16 Grenzanlagen wie die in Deutschland. Vom 2. Mai 1989 an wurden in Ungarn Tag für Tag 600 Meter Stacheldraht eingerollt. 60.000 Flüchtlinge waren nach Ungarn aufgebrochen und wollten weiter, ein neues Leben beginnen. Der ungarische Außenminister sagte damals: „Wir wollen sie nicht zurücktransportieren in ein Land, in das sie nicht wollen.“ Heute gibt es fast 70 Mauern und Zäune: maßgeblich in Ungarn, Spanien, Marokko, Slowenien, zwischen Mexiko und den USA. Sie haben alle, wie einst die Mauer zwischen DDR und BRD, denselben Zweck: Flüchtlinge fernhalten. An diesen Mauern sterben Menschen. Lösen werden die Mauern nichts, sie können Bewegungen bremsen, aber letztlich nicht aufhalten. Auch das zeigt unser Mauerfall. Ihn in diesem Jahr zu feiern als Wunder und Wahnsinn, als Segen und etwas Sagenhaftes – das wird zur Schnulze, wenn wir nicht von da aus darüber nachdenken, wie wir – mit Gottes Hilfe – auch die anderen Mauern überwinden können.

Die Fluchtrouten sind so verstellt, dass die Menschen auf dem Weg aus dem Elend über das Mittelmeer getrieben werden. Und der wird zum Friedhof. Das ist gewollt. Es ist ein Grenzregime, „das auf der Verabredung zum Sterbenlassen aufbaut“. (Katja Kipping, 162)

Die EU unterbindet die private Seenotrettung und hat ihr eigenes Programm „Sophia“ eingestellt. Die Schiffe laufen nicht mehr aus. Die Mitgliedsstaaten konnten sich nicht darauf einigen, wer wie viele Flüchtlinge aufnimmt.

Europa sei auf drei Hügeln gebaut, meinte Theodor Heuss, der erste Bundespräsident: auf der Akropolis in Athen, die steht für die Demokratie, dem Kapitol in Rom, das steht für Rechtsstaatlichkeit, und Golgatha in Jerusalem, der Berg auf dem Jesus gekreuzigt wurde, steht für die Menschenwürde.

Mit jedem Flüchtling, der im Mittelmeer ertrinkt, stürzen diese drei Hügel ins Meer, versinkt auch die Idee Europas. „So wie die Niederschlagung des Prager Frühlings 1968 mit Panzern zur moralischen Bankrotterklärung des real existierenden Staatssozialismus wurde, so attestiert der Umgang der EU mit den Flüchtenden den moralischen Bankrott der real existierenden EU.“ (Kipping, 162)

Jeder Flüchtling, der ertrinkt, wird an den Strand unserer Verantwortung gespült.

Mare nostrum, so haben die Römer das Mittelmeer genannt.

Unser Meer.

 

Da ist ein Mensch

auf deinen Grund gesunken.

Was wird aus ihm?

 

Da ist ein Mensch

auf deinen Grund gesunken.

Was wird aus uns?

 

Da ist ein Mensch

in seiner Not ertrunken.

 

Mit ihm sind wir

auf unsern Grund gesunken.

 

Mit deutscher Beteiligung wird die libysche Küstenwache ausgebildet. Wir sind beteiligt daran, dass Menschen, die der Hölle von Konzentrationslagern in Libyen entkommen sind, eingefangen und dorthin wieder zurückgebracht werden, in Lager, in denen sie hungern, Massenvergewaltigungen an der Tagesordnung sind, Menschen als Sklaven versteigert und verkauft werden.

Die von der EU eingegangen Partnerschaften mit der Türkei, mit nordafrikanischen Staaten … sind schmutzige Deals, darauf angelegt, Europa von Flüchtlingen abzuschotten. Aus den Augen, aus dem Sinn.

So auch in Deutschland. Wer es bis hierher schafft, soll in Ankerzentren untergebracht werden. Sieben gibt es bereits, alle in Bayern. Sie sind das Modell. 40 sollen es insgesamt werden. Hier werden 1.500 Menschen bis zu anderthalb Jahre auf engstem Raum eingesperrt. Wie lange halten wir es mit drei, vier, fünf, sechs … Menschen in einem Raum aus, Tür an Tür mit der nächsten Familie? Wo uns jeder Besuch lästig wird, der länger als drei Tage bleibt. Wer die Ankerzentren durchsteht und einen Asylantrag genehmigt bekommt, ist dann wie geschaffen für die deutsche Leitkultur: Was dich nicht umbringt, macht dich hart. Beste Aussichten für eine gute Integration? Nie und nimmer.

Das gerade verabschiedete Migrationspaket verschärft dies noch. Flüchtlinge können bis zur Abschiebung dann in normalen Gefängnissen inhaftiert werden. Menschen, die einen langen Weg hinter sich haben, auf der Suche nach einem Leben in Würde, werden in einem der reichsten Länder dieser Erde kriminalisiert.

„Was ist der Mensch, dass du seiner gedenkst, und des Menschen Kind, dass du dich seiner annimmst“, heißt es im Psalm 8.

Jeder Flüchtling, jeder, der seine Heimat verlässt und oft genug sein Leben riskiert für ein besseres Leben, ist ein Mensch, der es verdient, zuerst als Mensch betrachtet und behandelt zu werden. Punkt. Die Bilder von Sibylle Möndel schärfen uns genau das ein: Siehe, ein Mensch.

Wer das christliche Abendland retten will, das im Morgenland seinen Ursprung hat, der kommt nicht umhin, anzuerkennen, dass vor Gott alle Menschen gleich sind, unabhängig von ihrem Herkommen und Auskommen, von ihrem Aussehen, ihrer Hautfarbe, ihrem Glauben.

Die Welt mit Jesu Augen zu sehen, meint, genau hinzusehen, den Menschen wahrzunehmen – hinter den Nachrichten, hinter politischen Entscheidungen. Wie fühlt sich jemand, der Hals über Kopf seine Habseligkeiten einsammelt und sich auf den Weg macht? Wie verzweifelt müssen Menschen sein, die sich spontan einem Flüchtlingstreck anschließen, der von Guatemala nach Mexiko unterwegs ist? Was heißt es, auf einem Schlauchboot im Mittelmeer sein Kind festzuhalten?

Es ist viel in Bewegung auf dieser Erde. Wir müssen uns orientieren. „Wer im Kopf umräumt, dessen Schreibtisch muss fest stehen“, hat Rainer Kunze gedichtet. Da ist ein Flüchtling. Siehe, es ist ein Mensch. Das ist der christliche Schreibtisch, der feststehen muss, wollen wir den christlichen Glauben nicht verraten und dieses Abendland retten.

„Die Stunde ist gekommen, gemeinsam das Europa aufzubauen, das sich nicht um die Wirtschaft dreht, sondern um die Heiligkeit der menschlichen Person“, meint Papst Franziskus.

Ihr Söders und Seehofers, wenn ihr es nicht fertigbringt, das Wort Mensch zu buchstabieren, dann könnt ihr euch die Kreuze, die ihr in bayerischen Behörden aufgehängt habt, ans Knie nageln.

Das Elend ist keine biblische Plage. Die Ungerechtigkeiten schreien zum Himmel, aber sie sind nicht vom Himmel gefallen, sondern von Menschen gemacht. Und was Menschen anrichten, können sie auch heilen.

Die Flüchtlinge, die es bis zu uns schaffen, bringen die Aufgabe mit, vor dieser Verantwortung nicht zu fliehen.

 

Vielen Dank.


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