18.04.2016
Stellungnahme zum Anhörungsverfahren gem. § 78 Schulgesetz des Landes Sachsen-Anhalt

vom Beauftragten der Evangelischen Kirchen bei Landtag und Landesregierung in Sachsen-Anhalt, Oberkirchenrat Albrecht Steinhäuser

Anhörungsverfahren gem. § 78 Schulgesetz des Landes Sachsen-Anhalt (SchulG)
hier: Fachlehrpläne für Fachgymnasium und Gymnasium, Evang. Religionsunterricht

Sehr geehrte Damen und Herren,

mit Schreiben vom 22.02. hatten Sie uns Gelegenheit gegeben, uns am Anhörungsverfahren gem. § 78 SchulG LSA zu beteiligen. Dafür danke ich Ihnen.

Nach Abstimmung mit den zuständigen Dezernaten der evangelischen Landeskirchen kann ich Ihnen folgende Hinweise übermitteln:

In der Grafik (S. 5) entsteht der Eindruck, man müsste die Bereiche zuordnen. Dies erschließt sich nicht selbsterklärend. Die Logik der Grafik bedarf deswegen nach unserer Einschätzung einer Erläuterung.

Für die Entwicklung fachbezogener Kompetenzen wird im Kompetenzbereich Deutung (S. 6) als Ziel am Ende der Kursstufe formuliert, dass die Schüler/innen biblische Texte „reflektiert auslegen können“ sollen. Das scheint uns etwas hoch gegriffen.

Für den Kompetenzbereich Beurteilung (S. 7) ist die Rede von der Beurteilung und beispielhaften Anwendung von „Modellen ethischer Urteilsbildung“ die Rede. Zu fragen ist, ob sich Modelle ethischer Urteilsbildung in der Schule „beispielhaft anwenden“ lassen.
Offen bleibt, was es bedeutet, Menschenwürde „zur Geltung“ zu bringen. Beides müsste deswegen ggf. konkretisiert werden. Die Perspektive auf die Philosophie fehlt leider.

Die „Grundlegenden Wissensbestände“ als verbindliche inhaltliche Schwerpunktsetzungen für die Unterrichtspraxis werden als exemplarische Impulse gesehen, die sowohl in den Kanon christlicher oder religiöser Wissensbestände gehören, als auch allgemeinen Beispielcharakter tragen. Hier sollte es in Bezug auf die Wahrnehmung der vorgesehenen didaktischen Eigenverantwortung der Lehrkraft und der Begründung der normativen Auswahl Erläuterungen und Hilfestellungen geben.

Wünschenswert wäre, wenn es bei den Wissensbeständen eine Systematik geben würde; z.B.: Basiswissen/Grundbegriffe – zu behandelnde Texte – verbindliche Bibelstellen. Hilfreich wäre es außerdem, die Wissensbestände offener zu formulieren. z.B. „ethische Problemfelder oder – Heraus-forderungen“, „philosophische Entwürfe …“, „ethische Kategorien: …“, oder „Antwortversuche aus Theologie, Philosophie und Literatur“ …; die Bezeichnungen lassen eine größere Auswahl an Texten und einen kreativeren Planungsprozess zu. Konkrete Texte, die unbedingt behandelt werden sollten, können ja in Klammern gesetzt oder als solche ausgewiesen werden.
Mitunter entsteht bei den Wissensbeständen der Eindruck einer Engführung (vor allem in der Oberstufe). Hier wäre in Bezug auf die Kompetenzschwerpunkte eine Überarbeitung der grundlegenden Wissensbestände wünschenswert.
Weiterhin wird die Zuordnung der fachbezogenen Kompetenzen zu den einzelnen grundlegenden Wissensbeständen an manchen Stellen explizit vorgenommen (Z.B. S. 14, Ekklesiologie), an anderen Stellen bleibt es der Lehrkraft selbst überlassen, diese vorzunehmen. Das kann als Aufruf zur gestalterischen Freiheit verstanden werden, sollte aber erläutert werden.

In den meisten Kompetenzschwerpunkten sind alle fachbezogenen Kompetenzen ausgewiesen. Dort, wo das nicht geschieht (z.B. S. 19) müsste entweder für die übrigen Kompetenzen nach Beispielen und Erläuterungen gesucht, oder aber die Reduktion begründet werden.

Die in dem Beitrag zur Entwicklung der Schlüsselkompetenzen (S. 9 f.) implizierten Verknüpfung von Themen, Inhalten und Methoden sollte in einer konsequenteren Umsetzung der „Möglichkeiten zur Abstimmung mit anderen Fächern“ umgesetzt werden.

Die Methodenkompetenz (S. 9) fehlt als fachspezifische Kompetenz, z.B. um biblische Texte angemessen deuten zu können. Ob dies von der Logik her zu den Fachbezogenen Kompetenzen (S. 6-8) zuzuordnen wäre, müsste geprüft werden.

Die philosophisch-weltanschauliche und interreligiöse Perspektive der Konfessionslosigkeit und weltanschaulichen Heterogenität, also die „Auseinandersetzung mit vorhandenen kulturellen und religiösen Unterschieden“ (S. 2) findet in den grundlegenden Wissensbeständen wenig bis keine Berücksichtigung. Die implizierte „Option zur Gestaltungsfreiheit“ (S. 2) weist zwar auf eine starke Eigenverantwortung der Lehrkräfte hin (Siehe S. 5, Erläuterungen zu den „Grundlegenden Wissens-beständen), aber dazu sollte es mehr orientierende Hinweise geben.

Leider nehmen wir im vorliegenden Entwurf einen reduzierten Umgang mit religiöser Vielfalt im christlichen Spektrum wahr: wenig Orthodoxie, keine Freikirchen, kein Bezug auf „religiöse Devianz“ bzw. lebensfeindliche religiöse Ausdrucksformen.

Auch ist der systematisch-theologische Topos der Trinität nicht vorhanden. Es sollte deswegen überlegt werden, ob dieser nicht in Kl. 5/6 beim Kompetenzschwerpunkt „Theologie“ angebahnt und in Kl. 7/8 als grundlegender Wissensbestand eingetragen werden sollte.

Bisher gab es bei den Lehrplänen eine Anschlussfähigkeit zwischen katholischem und evangelischem LP. Beim SEK LP ist die auch noch gegeben. Beim Neuen GYM LP jedoch nicht. Wenn es bezüglich der katholischen Kirche eine Öffnung hin zum konfessionsübergreifenden RU geben sollte, wäre es dann nicht sinnvoll, dass es auch für den LP GYM eine Anschlussfähigkeit zwischen den beiden Lehrplänen gibt?

Für den vorgesehenen Umgang mit Quellen anderer Religionen gilt generell, dass das Fachwissen hier erweitert werden muss. Als Hilfsmittel benötigen die Lehrkräfte dafür zum Beispiel eine Einführung in den Koran. Die einzelnen Suren dürfen nicht ohne ein kontextuelles Verständnis und einen hermeneutischen Schlüssel verwendet werden. Außerdem braucht es in einer zum Pluralismus befähigenden Religionspädagogik auch eine interreligiöse Theologie. Auf diese wird nirgends Bezug genommen.

Zu den einzelne Klassenstufen

5/6
Kompetenzschwerpunkt Christologie, Reich-Gottes-Gleichnisse: Stichwort „Metapher“ gehört in grundlegende Wissensbestände, kann bei den Schülern nicht vorausgesetzt werden.

7/8
Kompetenzschwerpunkt Christologie (Kl.7/8): Inhalte sind ziemlich schwer.

9
Grundlegende Wissensbestände:
Kompetenzschwerpunkt Ethik enthält nur drei Bibelstellen als Wissensbestand.
Im Kompetenzschwerpunkt Theologie (S. 13) fehlt in den „grundlegenden Wissensbeständen“ ein Verweis auf Gottesbilder anderer Religionen.

10
Wissensbestand „Frauen und Rechte“: Hier sollte die Engführung vermieden werden: „Sich zu ethischen Herausforderung in einer globalen Welt zu positionieren“ kann auch beim Umgang mit Homosexualität bzw. Inklusion/Behinderung geschehen.

11/12
Die Oberstufe ist eng abgesteckt und bietet kaum Planungsspielraum bei den Kursthemen.
Kompetenzbereich Christologie: Eine „Theologie vom Kreuz“ ist nicht explizit vorgesehen. (S. 25)

Wir hoffen, Ihnen mit diesen Anmerkungen eine Hilfestellung für die weitere Arbeit zu geben,
und grüßen Sie freundlich


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