14.06.2005
Harte Auseinandersetzungen 1953-1961
Die Phase der Entspannung, die durch die Juni-Ereignisse 1953 entstanden war, war von relativ kurzer Dauer.
Seit 1954 wurde die Produktion atheistischer Literatur forciert. Insbesondere in der Jugendarbeit wurde aber, in Verbindung mit dem Kirchlichen Forschungsheim Wittenberg, der atheistischen Propaganda gegengesteuert.
Von nachhaltiger Wirkung war 1954 die Einführung der Jugendweihe in der DDR. Innerhalb von sechs Jahren ging die Zahl der Konfirmanden drastisch zurück. Damit wurde das Ende der klassischen Struktur der Volkskirche eingeläutet: Wer nicht konfirmiert war, ließ sich in der Regel auch nicht kirchlich trauen, brachte seine Kinder nicht zur Taufe. Aus der Mehrheitskirche (1948: ca. 3,5 Mill. Mitglieder in der Kirchenprovinz Sachsen) wurde eine Minderheit.
Das intensive Bemühen von Synode und Kirchenleitung, dieser Herausforderung theologisch zu begegnen durch das bewusstere Bekennen bei Vorbereitung und Durchführung der Konfirmation fand in den Gemeinden nur im Kernbereich wirkliche Resonanz. Faktisch ergab sich, dass Jugendliche, die zur Jugendweihe gegangen waren, sich ein Jahr später konfirmieren ließen.
Zu den Kampfmaßnahmen gegen die Kirche gehörten auch die Verhaftungen im Zusammenhang mit dem Umtausch der Banknoten am 13.10.1957. Konsistorialpräsident Kurt Grünbaum hatte versucht, doch noch Geldmittel der Kirchenprovinz Sachsen (KPS) aus Westberlin zu transferieren und nach Verstreichen des Termins in neue Banknoten umzutauschen. Daraufhin wurden er und Oberkonsistorialrat (OKR) Siegfried Klewitz inhaftiert. Bei einem Verhör starb OKR Lic. Erich Hein.
Wegen der ideologischen Ausrichtung aller Bildungseinrichtungen in der DDR war es wichtig, dass die eigenständige kirchliche Ausbildung für verschiedene kirchliche Berufe konsequent aufgebaut wurde. Da es keinerlei schulischen Religionsunterricht mehr gab, konnten auch keine Lehrer für die Christenlehre eingesetzt werden. Für den flächendeckenden Aufbau der Christenlehre wurden die Katechetenseminare in Naumburg und in Wernigerode eingerichtet. Prof. Otto Güldenberg entwickelte zugleich ein Konzept für die Oberschulkatechetik. In Naumburg wurde das Katechetische Oberseminar gegründet, das sowohl das volle Theologiestudium ermöglichte wie die Zusatzqualifizierung für die Oberschularbeit.- Die Predigerschule, zunächst in Wittenberg, wurde nach Erfurt verlegt. Kindergärtnerinnen wurden in Wolmirstedt, Kirchenmusiker in Halle und Halberstadt ausgebildet. Die postgraduale Ausbildung der Vikare (Predigerseminare) erfolgte im Verbund mit der Union Evangelischer Kirchen (EKU) (Wittenberg und Gnadau). Wem der Besuch der Oberschule verwehrt war und sich auf einen kirchlichen Beruf vorbereiten wollte, konnte am Kirchlichen Proseminar in Naumburg das Abitur ablegen.
Staatlicherseits wurde konsequent versucht, insbesondere die Arbeit am Naumburger Oberseminar zu beeinträchtigen (keine Anerkennung des Hochschulstatus, öffentliche Anprangerung der Bibliothek 1957).
Die Enteignungen, der Klassenkampf der 40iger Jahre, die Aufhebung der Parteiendemokratie durch das Herrschaftsmonopol der SED und die wachsende wirtschaftliche Prosperität der Bundesrepublik führten zu einer Massenflucht aus der DDR. Das betraf in überdurchschnittlichem Maße auch die Kirchengemeinden. Seit 1956 gab es aber zunehmend den Dialog darüber, was es bedeute, „Christ in der DDR“ zu sein. Wenn die DDR nicht zum „gottlosen Land“ erklärt werden konnte, war es nötig und legitim, dass die Kirchen zum „Bleiben in der DDR“ aufriefen.
Von einschneidender Bedeutung für die Gemeinden in der KPS war die Kollektivierung der Landwirtschaft, die 1952 in einem ersten Schub, 1959/60 in verschärfter, repressiver Form durchgeführt wurde. Viele Landwirte verließen ihre Höfe und gingen in den Westen. Wilhelm Borchert, Landwirt in Nahrstedt, Mitglied der Kirchenleitung, protestierte und wurde jahrelang inhaftiert.
Professor Dr. Harald Schultze (Magdeburg), ehemaliger Beauftragter der Evangelischen Kirchen bei Landtag und Landesregierung Sachsen-Anhalt