Stadtkirche Johannes der Täufer

Adressdaten


  • Kirchplatz
    07806 Neustadt/Orla

Beschreibung


St. Johannes der Täufer
Mächtig steht die stattliche Kirche über den umliegenden Häusern. Ihr nahezu vorbildlich gotischer Charakter wird durch die Turmhaube im Renaissancestil nicht beeinträchtigt. Bereits um 1294 wurde die erste Kapelle errichtet, wahrscheinlich bereits 1406 abgebrochen und 1409 durch eine größere Kapelle ersetzt, vielleicht im Zusammenhang mit der Erhebung um 1400 zur Pfarrkirche. Doch 1470 – 1476 erbaute man einen Chor, 1479 wurde der drei Jahre zuvor begonnene Turm vollendet. 1502, nach der Einwölbung des Chores begann der Bau des dreischiffigen Langhauses. 1517 stürzte das Gewölbe des Schiffs ein, 1528 erhielt die Kirche die schöne Kassettendecke im Renaissancestil, eine erneute Einwölbung unterblieb. Es war die Zeit des florierenden Textilgewerbes in Neustadt. Davon legt das 1465/66 erbaute Rathaus ebenso Zeugnis ab, wie das 1471 begonnene Augustinerkloster. Auch später gab es zahlreiche Bauarbeiten, so etwa 1686, als die Kirche erneuert und der Heiligen Dreifaltigkeit geweiht wurde. 1769 gab es erneute Bauarbeiten, was insgesamt zu einer Überfülle von Einbauten wie etwa Bürgersitzen oder Betstuben führte. Dieser als unhaltbar empfundene Zustand fand 1893 bei einer umfassenden Erneuerung sein Ende, als man die Einbauten entfernte und dadurch die Klarheit des Raumes wieder herstellte. Beim Betreten des Innenraumes empfindet der Besucher die Weite und Schönheit des Gebäudes. Eine breit gelagerte dreischiffige Halle, deren Besonderheit die dreiseitig umlaufende Empore ist, die hinter den Pfeilern steht und diese freilässt, gibt dem Raum Freiheit, was durch die obere Empore, die an der Westwand quer über den Raum läuft und die Orgel trägt, nicht beeinträchtigt wird. Im Osten öffnet sich ein deutlich schmalerer, aber immer noch weiter Chor dem Besucher. Er wird überdeckt von einem Netzgewölbe, in dessen östlichen Schlusssteinen das Tuch der Veronika, Maria mit dem Kind, der Täufer Johannes sowie Anna Selbdritt sichtbar sind. Auffällig ist der schöne Schmuck des Gewölbes mit einer "Himmelswiese". Schon in alter Zeit wurde die Kirchendecke als "Himmel" bezeichnet und entsprechend verziert. Besonders deutlich wird das an der Bemalung alter romanischer und gotischer Kirchengewölbe mit Heiligen, Engeln und Ähnlichem, besonders aber mit Pflanzen wie Gräsern und Blumen, der sogenannten "Himmelswiese". Dahinter steht der Gedanke, dass der Blick nach oben zu einem Blick in den Himmel wird. Im Barock werden dann oft Holzdecken entsprechend, z. T. mit Stuckverzierungen geschmückt. Bis in die Gegenwart ist der Schmuck der Decke mit Sternen auf blauem Grund verbreitet.
An der linken Seite befindet sich ein verhältnismäßig großer, aber einfach gestalteter Sakramentsschrein, der mit einer Eisentür geschlossen ist. Über der Tür zur Sakristei hängt ein altes gotisches Kruzifix. In diesem tiefer liegenden Raum finden wir noch eine Piscina. Fünf große Bleiglasfenster geben dem Chorraum das vom Stilempfinden der Gotik verlangte farbige Licht. Zwei haben Bildmotive: links die Geburt des Herrn mit der Anbetung der Hirten, rechts die Himmelfahrt, umgeben von den 12 Aposteln. Doch das eigentliche Juwel dieses Raumes ist der gotische Schnitzaltar aus der Werkstatt Lukas Cranachs. 1894 sollte er verkauft werden, um Geld für die Erneuerung der Kirche zu bekommen. Sein wahrer Wert wurde damals nicht erkannt. 1511 wurde er bei Lukas Cranach bestellt, 1513 wurde er in Neustadt aufgestellt. Seitdem hat er seinen Platz nicht verlassen und gilt als der einzige Altar aus der Hand Cranachs, der noch an seinem alten Platz steht. Nicht zuletzt deshalb trägt auch die Altarplatte noch die alten Weihekreuze der Entstehungszeit. 1948 bis 51 wurde er in Weimar restauriert, nachdem er durch Wasserschäden gelitten hatte. In der Predella sehen wir eine Darstellung des Jüngsten Gerichts. Christus thront auf einem Regenbogen, Maria und Johannes der Täufer knien neben ihm und bitten für die Sünder, die im unteren Teil erscheinen. Rechts stoßen Teufel die Verdammten in das ewige Feuer, während links ein Engel die Seligen in das ewige Licht leitet. Auf diesem Sockel steht der Altarschrein. In der Mitte steht die Figur des Namensgebers der Kirche Johannes. Rechts und links neben ihm sehen wir die Apostel Simon und Judas Thaddäus mit den Werkzeugen ihres Martyriums. Links sehen wir neben dieser Gruppe die Taufe Jesu im Jordan, rechts die Enthauptung Johannes des Täufers. Wenn zu bestimmten Zeiten des Kirchenjahres, etwa in der Passionszeit, der Altar geschlossen wird, um seine weniger festliche Seite zu zeigen, dann erscheinen links wieder Johannes der Täufer sowie rechts Simon Zelotes und Judas Thaddäus. Im Mittelbild jedoch sehen wir links Jesus mit den Jüngern Petrus, Jakobus und Johannes, wie er den trauernden Frauen rechts seinen bevorstehenden Abschied ankündigt. Immer sichtbar bleiben die beiden ganz außen angebrachten Heiligen, links Georg mit dem Drachen, rechts Florian mit dem Wasserkübel. Bekrönt wird der Altar von dem wunderbar geschnitztem Gesprenge. Es zeigt den heiligen Martin, wie er seinen Mantel für einen Bettler teilt, rechts und links von ihm Barbara und Katharina, die in der Zeit der Spätgotik hoch verehrt wurden. Ganz oben jedoch steht die heilige Anna Selbdritt mit Maria und dem Jesuskind auf dem Arm. Hoch über ihnen sehen wir im Gewölbe über dem Altarretabel die Köpfe der vier Evangelisten mit ihren Attributen, die erst in jüngster Zeit wieder freigelegt wurden. Es ist beeindruckend, wie der Gedanke an den Täufer Johannes und sein Werk in diesem Altarwerk durchgeführt wird, man möchte jedermann Mut machen, sich das selbst anzusehen und zu bedenken.
So befriedigend es ist, dass der Chorraum durch seine sparsame Ausstattung dem Besucher erlaubt, sich auf die wichtigen Dinge zu konzentrieren, so gut ist es, dass im Langhaus Raum für eine Reihe kostbarer Stücke der Vergangenheit ist. Schon im Langhaus, aber noch dicht am Chor steht ein außerordentlich prächtiger Taufsteinvon 1494. Er zeigt drei Evangelisten, ihre Symbole und dazu eine vergoldete Brezel, Hinweis auf die Stifter, die Bäckerinnung. Ihm gegenüber steht an der ersten Säule links die sehr schlicht gehaltene Kanzel. An der Stirnwand des südlichen Seitenschiffs sind drei Figuren aus der Vorgängerkirche angebracht, Anna Selbdritt, mit Maria und dem Jesuskind, dazu rechts Katharina und links Dorothea mit einem Kind. Das Langhaus ist mit einer Reihe von Epitaphien für ehemalige Pfarrer und Bürgermeister geschmückt. Besonders fallen in den Aufgängen der Emporen eine Reihe von Tafelbildern auf, die Kreuzabnahme, die Auferstehung der Toten, David mit dem abgeschlagenen Haupt des Goliath und eine Allegorie der Reformationszeit auf das Heilswerk Christi. Pfarrerbilder und hölzerne Epitaphien für Kinder kommen dazu.
Auf der Orgelempore steht ein besonders kostbares Werk, eine 1727 von Johann Georg Fincke in Saalfeld erbaute Orgel. Nach einer Modernisierung 1936 wurde sie 1993 von der Orgelbaufirma Schuke in den ursprünglichen Zustand zurückgeführt.
Im Turm hängt eines der wertvollsten Geläute unserer Region, drei stattliche Bronzeglocken. Die größte (die zweitgrößte in Thüringen mit dem Namen Susanna) ist 1479 datiert, mit Linienzeichnungen von Maria mit dem Kind und Johannes dem Täufer. Die kleineren tragen die Jahreszahl 1494. Ihr Schöpfer war wahrscheinlich Hans Sinderam in Erfurt. Die Reste einer Türmerwohnung sind noch erhalten.