PM 87 | 10.07.2008
Symposium zum Schutz gefaehrdeten Lebens

Symposium zum Schutz gefährdeten Lebens:
Landesbischof und ehemaliger Justizminister diskutieren ethische Fragen
Ehemaliger Marienstift-Leiter rettete Behinderte vor dem Tod durch Nazis

Mit einem Symposium zum Thema „Lebensschutz“ wird am kommenden Dienstag (15. Juli, 18.30 Uhr) im Arnstädter Marienstift der 110. Geburtstag von Friedrich Behr gewürdigt. An einer Podiumsdiskussion zu aktuellen bio- und medizinethischen Fragen nehmen der Thüringer Landesbischof Christoph Kähler und der ehemalige Thüringer Justizminister Harald Schliemann teil. Das Symposium wird von der Evangelischen Akademie Thüringen in Zusammenarbeit mit dem Marienstift organisiert.

Der Pfarrer und spätere Kirchenrat Friedrich Behr war von 1930 bis 1958 Direktor des Marienstifts. Zur Zeit der Nationalsozialisten hatte er mit der Bedrohung seiner behinderten Schützlinge durch das Euthanasieprogramm zu kämpfen. Er wandte sich entschieden gegen die Definition von „lebensunwertem Leben“. Durch seinen Einsatz konnten alle Kinder und Jugendlichen des Marienstifts vor dem Zugriff der Nazis bewahrt werden. „In der heutigen Zeit wird erneut versucht, behindertes Leben nicht zuzulassen. Behr sollte ein Vorbild sein, uns dagegen zu wehren“, sagt Kirchenrat Jürgen Friedrich, der heutige Marienstift-Leiter.

Das Symposium beginnt mit einer Andacht. Anschließend hält die Berliner Historikerin Anke Silomon Rückschau auf den Lebensweg und das Wirken Friedrich Behrs. Um 18.30 Uhr beginnt die Podiumsdiskussion unter dem Motto „Der Schutz gefährdeten Lebens“. Hier wird nach dem Vermächtnis Behrs für die Gegenwart gefragt. Mit Kähler und Schliemann diskutiert Professor Gerd Richter von der Universitätsklinik Marburg über aktuelle bio- und medizinethische Herausforderungen sowie die damit zusammenhängende politische Verantwortung. Die Moderation übernimmt Michael Haspel, Direktor der Evangelischen Akademie Thüringen. Im Anschluss wird zum Empfang mit Imbiss und Gesprächen geladen.

Das Marienstift Arnstadt wurde 1904 als gemeinnützige Stiftung errichtet. Unter Schirmherrschaft der Fürstin Witwe Marie zu Schwarzburg-Sondershausen organisierten Persönlichkeiten aus Kirche und Gesellschaft Dienste, um behinderte Menschen behandeln, betreuen, unterbringen, erziehen, ausbilden und fördern zu können. Anliegen der Gründer war es, die christliche Botschaft mit einem uneingeschränkten „Ja“ zum Leben im Dienst am Schwachen deutlich zu machen.

Die „Heil-, Pflege- und Erziehungsanstalt für bildungsfähige Krüppel“ erweiterte sich ständig, die 1925 gegründete Orthopädische Klinik mit Ambulanz wurde über die Grenzen Thüringens bekannt. Den hervorragenden Ruf begründete der stark engagierte Orthopäde und Chefarzt Leopold Frosch, an dessen Namen heute eine Straße in Arnstadt erinnert. Eine harte Belastungsprobe war die NS-Zeit. Dem Anstaltsleiter Friedrich Behr und seinen Mitarbeitern gelang es nur unter großem persönlichen Einsatz und Mut, alle Kinder und Jugendlichen den Vernichtungsmaßnahmen zu entziehen.

Die Teilung Deutschlands und die Mangelwirtschaft des Sozialismus setzten dem Marienstift nach dem Ende des 2. Weltkrieges enge Grenzen. Die Benachteiligung kirchlicher Einrichtungen durch den atheistischen DDR-Staat machte sich schmerzlich bemerkbar. Trotz aller Einschränkungen im materiellen Bereich war die Orthopädische Klinik ein Krankenhaus von hoher Akzeptanz und die Behindertenarbeit ein Hoffnungspunkt für viele Eltern. Die Sonderschule unter dem Dach des Marienstifts war die einzige Einrichtung dieser Art in der DDR.

Nach 1989 wurde ein Konzept für die Generalsanierung sowie Neubauten umgesetzt und die schulische Arbeit ausgebaut. Zu den heutigen Angeboten des Marienstiftes gehören unter anderem eine Werkstatt, ein Wohnheim sowie ein Kinderheim für Behinderte. Die Orthopädische Klinik umfasst 125 Betten. Im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe gibt es Angebote zur Erziehung und Inobhutnahme. Dazu kommen Beratungsdienste für Schwangere und ihre Familien sowie suchtgefährdete Menschen. Auch die Kirchenkreissozialarbeit, die soziale Gruppenarbeit und das „Johannes-Falk-Projekt“ in Arnstadt werden durch das Marienstift getragen. Insgesamt werden mehr als 500 Menschen beschäftigt.

Das Marienstift im Internet: www.ms-arn.de
Bei Rückfragen: Jürgen Friedrich, 03628-720261


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